Der Ring an meiner Hand
ich meine Zukunft bedenke.“ Sie wandte sich den beiden Männern zu. „Darf ich Ihnen einen Tee anbieten? Ich fürchte, der Kaffee in diesem Haus wird Ihnen nicht zusagen.“
Signor Mazzini erhob sich. „Vielen Dank, nein. Vielleicht können wir das Gespräch morgen fortsetzen, signorina , wenn Sie noch einmal über alles nachgedacht haben. Denn Seine Exzellenz wird einer Annullierung nicht zustimmen.“
„Aber warum denn nicht? Er muss ebenso erpicht darauf sein, mich loszuwerden, wie ich darauf, meine Freiheit zurückzugewinnen. Und außerdem verdiene ich eine Beloh nung für die drei pflichtbewussten Jahre der Langeweile. Wie gewünscht, habe ich sowohl hier als auch in London die Gastgeberin gespielt und sein in aller Öffentlichkeit ausgelebtes Privatleben übersehen. Nun kann er mir auch einen Gefallen tun.“
„Soweit ich weiß, gibt es in England den Brauch, jemandem den Fehdehandschuh hinzuwerfen“, sagte Signor Mazzini. „Allerdings halte ich das im Fall von Seiner Exzellenz nicht für klug.“
Emily lachte bitter. „Oje, beleidige ich etwa Conte Rafaeles Männlichkeit und seinen Ruf mit der Behauptung, dass es zumindest eine Frau auf der Welt gibt, die ihn nicht für unwiderstehlich hält – und dass diese Frau ausgerechnet seine vermeintliche Ehefrau ist?“ Sie zuckte die Schultern. „Nun, ich werde meine Meinung nicht ändern. Bitte machen Sie das Ihrem Klienten klar.“
Damit ging sie zum Kamin, in dem ein kleines Feuer brannte, und läutete die Glocke neben dem Sims.
„Ich möchte sofort mit den Vorbereitungen zur Annullierung beginnen. Denn in knapp drei Monaten feiere ich meinen einundzwanzigsten Geburtstag. Und dann wäre ich wirklich gern wieder ledig.“
„Ich werde Seiner Exzellenz Ihre Wünsche übermitteln“, entgegnete Signore Mazzini mit einer steifen Verbeugung, als die Haushälterin erschien, um ihn und seinen Kollegen hinauszuführen.
Nachdem die zwei Männer gegangen waren, sank Emily in den großen Ledersessel zur Linken des Kamins. Sie hatte ihren Besuchern eine mutige Fassade präsentiert und ihnen das flaue Gefühl im Magen und die zitternden Beine gekonnt verheimlicht.
Aber sie hatte es überstanden und die ersten unsicheren Schritte in Richtung Freiheit unternommen. Jetzt würden sich die Anwälte auf den Rückweg nach Rom oder New York – oder wo Rafaele auch immer gerade weilte – machen und ihm die schlechten Nachrichten überbringen.
„Oh, Dad“, flüsterte sie traurig. „Du hast mir keinen Gefallen getan, als du mich zu dieser Ehe gedrängt hast. Ich hätte deinem Wunsch niemals zustimmen dürfen. Aber was hätte ich anderes tun sollen, als du so krank warst und mir das Versprechen abgenommen hast?“
Zum ersten Mal war Emily Conte Rafaele Di Salis mit siebzehn begegnet, als sie zu den Weihnachtsferien aus dem Internat nach Hause kam.
Wie üblich stürmte sie damals ins Haus und direkt ins Arbeitszimmer ihres Vaters. Sie stieß die Tür auf und rief laut: „Daddy, ich bin zu Hause.“ Unvermittelt sah sie sich plötzlich einem ihr unbekannten, hochgewachsenen jungen Mann gegenüber, der bei ihrem Eintritt höflich aufgestanden war.
Abrupt blieb sie stehen und sah verwundert ein wenig zerzauste schwarze Locken, gebräunte Haut und funkelnde haselnussbraune Augen, die sie interessiert musterten. Der Fremde lächelte, als amüsiere er sich über einen besonderen Gedanken.
„Es tut mir leid, Dad. Ich wusste nicht, dass du Besuch hast.“
„Ist schon in Ordnung, mein Schatz. Ich bin sicher, Conte Di Salis wird dir deinen Auftritt verzeihen.“ Lächelnd trat Sir Travers Blake hinter dem Schreibtisch hervor und umfasste ihre Hände. Doch die Begrüßung erschien ihr seltsam zurückhaltend, zumindest schloss er sie nicht wie sonst fest in die Arme. „Ist es nicht so, Rafaele?“
„Es ist eine sehr charmante Unterbrechung.“ Die Stimme des Besuchers klang leise und samtig, sein Englisch fast akzeptfrei. Dann machte er einen Schritt nach vorn und ergriff Emilys nur widerwillig ausgestreckte Hand.
Die Berührung war federleicht, und doch weckte sie ein seltsames Gefühl in ihr, unerwartet und fremd zugleich. Als durchführe sie ein Stromstoß. Am liebsten hätte sie ihm ihre Hand entrissen.
Im selben Moment ließ der Conte Emilys Hand los, als hätte er ihren Widerwillen gespürt.
„Es ist eine Freude, Sie kennenzulernen, signorina “, sagte er mit vollendeter Höflichkeit und sah dann zu Sir Travers Blake. „Sie sind ein sehr glücklicher
Weitere Kostenlose Bücher