Der Ring an meiner Hand
Dann ging er zu ihr und zog sie auf die Füße. Mit geneigtem Kopf schmiegte er die frisch rasierte Wange an ihre, und Emily drängte sich näher an ihn, die Lippen zum Kuss geöffnet.
Plötzlich hörte sie ein leises Geräusch. Auch Rafaele hatte es gehört. Scharf wandte er den Kopf. Als Emily seinem Blick folgte, sah sie Apollonia auf der Schwelle stehen, einen Stapel Handtücher auf dem Arm.
Leise fluchend ging er zu dem Mädchen, fasste es am Ellenbogen und führte Apollonia aus dem Zimmer.
„Was für ein unglaubliches Verhalten“, sagte er mit finsterer Miene, als er zurückkam. „Und sehr dekorativ ist sie auch nicht. Ich meine mich zu erinnern, das schon einmal gedacht zu haben, aber ich weiß nicht mehr, wo.“ Dann legte er zärtlich einen Arm um Emilys Taille und machte dort weiter, wo er aufgehört hatte.
Als aus den Tagen Wochen wurden, sah Emily ein, dass Rafaele nicht übertrieben hatte, als er ihr vorhersagte, sie würde ein beschäftigtes Leben führen.
Alle, so schien es, wollten die junge Contessa Di Salis sehen. Unentwegt kamen Einladungen. Jeden Abend hätten sie einen Ball, Empfang oder eine Party besuchen können.
Natürlich spürte sie, dass sie zum Objekt wildester Spekulationen wurde, wenn sie sich mit Rafaele öffentlich zeigte. Aber da sie es selten wagte, von seiner Seite zu weichen, fragte sie niemand direkt. Zudem lehnte Rafaele alle Inter viewwünsche von Zeitschriften und Klatschmagazinen rigoros ab.
Auch eine Konfrontation mit Valentina Colona blieb ihr vorerst erspart, weil diese – wie Emily einer weiteren Zeitung entnahm – zurzeit in Amerika weilte und dort ihre neue Kosmetiklinie promotete.
Irgendwann würde sie ihr begegnen, aber bis dahin beschloss Emily, sich zu amüsieren. Was gar nicht so schwer war.
Die richtigen Kleider zu tragen, half natürlich dabei. Rafaele hielt Wort und stellte eine neue Garderobe für sie zusammen. Und Emily musste halb beschämt erkennen, dass sie es genoss, sich bereitwillig seinem Auge für Farbe und Stil zu überlassen.
Er hat ja auch eine gute Lehrmeisterin, rief sie sich mehr als einmal ins Gedächtnis. Aber zumindest trug nichts, was er für sie kaufte, das Label Valentina X.
Das Leben verlief insgesamt recht friedlich. Sie lernte, einen großen Haushalt zu leiten, was nur dank der Unterstützung der Angestellten möglich war, die offensichtlich alle wünschten, dass sie ihre neue Verantwortung zu Rafaeles Zufriedenheit erfüllte.
Nur die mürrische Apollonia konnte Emily nicht für sich einnehmen. Obwohl sie bis auf ihren Fehler am ersten Abend nichts an dem Mädchen auszusetzen hatte, überkam sie doch immer wieder das seltsame Gefühl, sie und Rafaele seien nicht allein. Hörte sie da nicht einen leisen Schritt, das Klicken einer sich schließenden Tür?
Vielleicht bin ich auch nur paranoid, dachte sie. Dies ist ein altes Haus, und in alten Häusern gab es nun mal seltsame Geräusche.
Die Abende, die Emily wirklich genoss, waren formlose Dinner in den Häusern seiner Freunde, angefüllt mit Wein, Gelächter und leidenschaftlichen Debatten über jedes Thema unter der Sonne.
Anfangs war sie unsicher, doch die anderen schienen sie voll und ganz zu akzeptieren. Kein Wort, kein Blick wies darauf hin, dass jemand es merkwürdig fand, sie erst jetzt, nach drei Jahren, zu treffen.
Manchmal fragte sie sich, was Rafaeles Freunde wohl sagen würden, wenn die Scheidung verkündet und sie für immer nach England zurückkehren würde. Doch diesen Gedanken schob sie stets rasch beiseite.
Insbesondere die Abende in Marcellos und Fionas Gesellschaft verliefen angenehm und entspannt. Fiona entwickelte sich zu einer guten Freundin, die sich begeistert daran machte, Emily in das Leben der Stadt zu integrieren.
„Du kannst nicht den ganzen Tag zu Hause sitzen und auf Rafaele warten“, warf sie ihr halb spöttisch, halb ernst vor. „Ich und einige andere Engländerinnen haben eine Stiftung gegründet, die sich um arme Kinder kümmert. Wir würden uns freuen, wenn du an Bord kommst.“
Aber Emily lehnte leise ab, mit dem Argument, sie fühle sich noch nicht reif für eine solche Verpflichtung.
Zwei Tage später sprach Rafaele sie auf diese Entscheidung an. „Fiona ist enttäuscht, dass du dich nicht in ihrer Stiftung engagieren willst. Sie hat mich gebeten zu versuchen, dich umzustimmen.“
„Ich will nicht etwas beginnen, bei dessen Ende ich nicht mehr hier bin“, erwiderte sie eisig.
„Wie du willst, mia cara “, antwortete
Weitere Kostenlose Bücher