Der Ring an meiner Hand
die Welt das wahrscheinlich längst wusste. In den letzten zwei Wochen hatte sie immer wieder die neugierigen Blicke gespürt, die ihr folgten. Vielleicht empfanden einige sogar Mitleid mit ihr, aber sie ertrug es nicht, genauer hinzuschauen.
Sie stand auf und ging zum Bett, in dem sie seit endlosen vierzehn Tagen allein schlief. Ihr Kleid wartete dort bereits auf sie, ein schweres Seidenkleid in Blau, das ihren Körper wie eine zweite Haut umschmeichelte. Ein glamouröses elegantes Kleid für die wichtige Party im Haus eines von Roms prominentesten Bankiers. Ein großes Fest, und vielleicht das letzte, das sie als Rafaeles Ehefrau besuchte.
Wie aus dem Nichts erschien Apollonia, um ihr beim Ankleiden zu helfen. Zwar hatte Emily sich mittlerweile an den mürrischen Charakter des Mädchens gewöhnt, doch es war ihr immer noch unangenehm, von ihr in Unterwäsche gesehen zu werden.
Dabei habe ich mich gerade damit angefreundet, mich vor Rafaele auszuziehen, dachte sie traurig. Tatsächlich bereitete es ihr sogar Vergnügen, zu sehen, wie sich die Sehnsucht in seinen Augen bei jedem abgelegten Kleidungsstück vergrößerte.
Aber das gehörte natürlich längst der Vergangenheit an. Jetzt blieb er einfach fort, ohne ihr eine Erklärung oder gar Entschuldigung zu liefern. Und Emily brachte es nicht über sich, ihn zu fragen, weil sie die Antwort schon kannte.
Und irgendwie empfand sie es als zusätzliche Demütigung, dass von allen Menschen ausgerechnet Apollonia wusste, wann der Conte aufgehört hatte, das Bett seiner Ehefrau aufzusuchen.
Was gleichzeitig bedeutete, dass auch der Rest des Haushalts wusste, dass bereits nach weniger als zwei Monaten die Tage der Contessa in Italien gezählt waren. Natürlich sprach niemand davon. Es gab nicht die leiseste Andeutung, dass irgendetwas nicht in Ordnung sein könnte.
Wie üblich sagte Apollonia nichts, als sie das Kleid über Emilys Kopf zog und in die richtige Lage brachte. Den Reißverschluss zu schließen, erwies sich als unerwartet schwierig, und Emily hörte das Mädchen leise schimpfen.
Es kann nicht daran liegen, dass ich zugenommen habe, dachte sie. Denn ihr Appetit hatte in den letzten Wochen drastisch nachgelassen. Rafaele speiste meistens in der Stadt, und sie aß eigentlich nur, um Rosanna nicht zu enttäuschen.
Heute Abend jedoch hatte Rafaele darauf bestanden, diese Party gemeinsam zu besuchen. Als sie erwiderte, sie fühle sich nicht wohl, sagte er nur knapp: „Wenn du krank bist, solltest du zum Arzt gehen. Soll ich einen rufen lassen?“
Aber ich bin nicht krank, wollte sie rufen. Wenn du mich nur wieder in die Arme nehmen würdest, ginge es mir gut, das weiß ich.
„Das wird nicht notwendig sein“, antwortete sie stattdessen leise. „Ich gehe zu dieser Party, wenn es das ist, was du willst.“
Er wartete bereits in der Eingangshalle auf sie, unglaublich attraktiv in dem formellen Smoking, den er trug. Mit Augen, die nichts zu sehen schienen, starrte er in die Leere vor sich. Und Emily, die leise die Treppe hinunterschlich, bemerkte, wie müde er aussah. Ihn so unglücklich, fast geschlagen zu sehen, versetzte ihr einen Stich.
Liebling, flüsterte sie in ihrem Kopf. Oh, mein Lieber … meine Liebe!
Sie bekämpfte den überwältigenden Impuls, zu ihm zu laufen, die Arme um seinen Nacken zu legen und die Traurigkeit aus seinem Gesicht zu küssen. Denn eine solche Tat half nichts und würde sie nur beide verlegen machen.
In diesem Moment hob er den Kopf und sah sie die Treppe hinunterschreiten. Sah sie in dem blauen Kleid, die Schultern weiß wie Elfenbein, das kastanienbraune Haar im Nacken von einer goldenen, mit Saphiren besetzten Spange gehalten. Und für eine Sekunde glaubte sie, in seinen Augen flackere Sehnsucht auf.
Doch dann sagte er kalt und förmlich: „Du siehst heute Abend wunderschön aus, Emilia. Wollen wir gehen?“
Eines der Schlafzimmer in der Villa des Bankiers diente den Frauen als Garderobe, wo sie ihre Mäntel ablegen und ihr Make-up richten konnten.
Als Emily sich vom Spiegel abwandte, teilte sich die Gruppe vor ihr plötzlich. Alle Gespräche erstarben, während eine Frau auf sie zuging. Sie war groß und ging sehr aufrecht. Dunkles Haar fiel ihr bis auf die Schultern, ein schwarzes Satinkleid umschmeichelte ihre sinnlichen Kurven. Sie lächelte strahlend, mit perfekten Zähnen.
„Contessa“, sagte sie. „Dieses Vergnügen ist uns viel zu lange verwehrt geblieben. Ich bin Valentina Colona.“ Sie streckte die
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