Der Ring Der Jaegerin
ist, dass es schiefgeht.«
Das war eine Anwendungsform, an die ich bei diesem Stoff noch nicht gedacht hatte.
»Und jetzt hol das andere Buch raus, wir wollen das zweite Siegel aufmachen.«
Sauber abgelenkt. Ich ging zum Schrank und wuchtete das schwere rote Buch auf die Schreibtischplatte. Wo das zweite Siegel saß, wusste ich jetzt ja und schob den Brieföffner unter den Lackklecks oben links. Es trug das Symbol des Merkurs, den Venusspiegel mit einer kleinen Schale obendrauf. Und dann entzifferten wir den Spruch, der da lautete:
Das zweite Siegel, das verlangt
zu lernen und zu denken.
Wer nun zögert oder schwankt,
wird seine Chance verschenken.
Drum musst Du in der Tage sieben
eine neue Kunst einüben.
»Ach du liebes bisschen. Ob das auf die Statistik zielt? Dann können wir das Buch gleich wegwerfen.«
»Bleib cool, Katharina, cool! Eine neue Kunst. Mit der dämlichen Statistik schlägst du dich ja schon seit Wochen herum.«
Stimmte natürlich auch wieder. Aber ich hatte doch so viel Neues in der letzten Zeit gelernt. Warum noch mehr? Na gut, weil das Buch es so wollte, weil Minni es so wollte, weil die Königin krank war und ich neugierig.
»Duhu?«
»Jaha?«
Minni hatte wohl wieder einen Wunsch.
»Ich würde deinen Alan gerne mal kennenlernen.«
»Meinst du nicht, dass du vom Thema ablenkst?«
»Meinst du nicht, dass wir gemeinsam essen sollten?«
»Ich habe dir doch vorhin gesagt, dass das mit den Restaurants … oh.«
»Ja.«
»Hier?«
»Ja.«
»Und ich soll kochen?«
»Ja.«
»Das ist es, was ich lernen soll?«
»War ich schon immer der Meinung.«
Und je näher ich mir die Sache betrachtete, desto passender erschien es mir. War ich nicht bei einer der besten Köchinnen über die Feiertage zu Gast? Mutter würde sich an meinem Interesse freuen. In sieben Tagen sollte es mir wohl gelingen, ein Menü zusammenzustellen, mit dem ich Alan hier bewirten konnte – was auch immer dann dabei herauskam. Er war ja wohl selbst ein guter Koch, wenn ich mich an Luigis Äußerung richtig erinnerte. Verpatzte ich die Sache dann, war sowieso alles vorbei. Nur, welche Gehässigkeiten würden diesmal passieren, wenn ich ein Nahrungsmittel verdarb? Würden dann die Flammen aus dem Herd schlagen? Die Sicherungen rausfliegen, der Mülleimer explodieren? Aber wahrscheinlich würde es Strafe genug sein, die verdorbenen Gerichte anschließend aufzuessen.
Immerhin war mir nach meinem Gespräch mit Minni ein wenig leichter zumute. Vielleicht war die erste Prüfung die schwierigste, damit diejenigen abgeschreckt wurden, die damit schon nicht klarkamen.
Oh, wie sollte ich mich täuschen!
Kapitel 19
Minni bestand auf einem Thermoschlafsack. In Trefélin sei es kalt. Ich machte meine Last-Minute-Einkäufe für die Familie, Kleinigkeiten, denn wir schenkten uns schon lange nichts Aufwendiges mehr. Dann gingen wir zu Buchbinders Bücherecke, und Minni sprang sofort aus der Tasche, um sich auf die Jagd zu begeben.
»Frau Katharina und Madame Minerva. Welch nette Gäste!«
Buchbinder, wieder ganz in Grau, kam aus seinem Büro und hatte ein gutmütiges Lächeln unter seinem Schnäuzer. Aber seine Augen blickten traurig. Ich begrüßte ihn ebenfalls und wollte gerade von dem Buch berichten, als Minni schon mit der ersten Beute angetrabt kam.
»Gefammelte Werke Fopenhauer.«
Buchbinder und Minni gaben sich die Nase, und er bedankte sich höflich bei ihr. »Vielleicht noch mal hinten bei den Märchenbüchern. Da knispelt es auch immer so«, riet er ihr, und sie verschwand in der angegebenen Ecke.
»Kommen Sie in mein Büro, ich habe gerade einen Kakao gekocht. Und erzählen Sie mir von dem Buch Ihrer Vorfahrin. Haben Sie es bekommen?«
Ich folgte ihm in ein kleines, bücherwimmelndes Zimmerchen, wo er auf einem Zweiplattenkocher einen Topf mit Milch stehen hatte. Er hantierte etwas herum, während ich ihm in leicht abgewandelter Form von meiner Begegnung mit Cosmea und ihren Freundinnen berichtete. Dass sie sich als Hexen betrachteten, verschwieg ich, um weder sie noch mich der Lächerlichkeit preiszugeben. Allerdings war das unnötig, denn mit fein gekräuselten Fältchen um die Augen goss Buchbinder den Kakao in zwei Tassen und meinte: »Soso, da sind Sie in den Hexenzirkel eingedrungen und haben das Buch entwendet.«
Ich muss ihn wohl ziemlich erstaunt angesehen haben, denn er beruhigte mich mit den Worten: »Frau Seghersdorf und ihre Freundin kamen wenige Tage später her, um mich über das Buch
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