Der Ring der Kraft - Covenant 06
daß wir uns je noch einmal begegnen sollten. Es ist ...«
Lindens unvermitteltes Flüstern unterbrach die Schwertkämpferin. Linden hatte Hollian mit eindringlicher Aufmerksamkeit gemustert; jetzt verursachte ihre Äußerung trotz der Gedämpftheit durch das pausenlose Trommeln des Regens klar vernehmlich, neues Schweigen. »Covenant. Sie ist schwanger.«
O mein Gott! Hollians schlanke Gestalt zeigte davon nichts. Aber seit die Steinhausener sich von der Wasserkante ins Landesinnere zurückbegeben hatten, waren erst knapp neunzig Tage vergangen. Lindens Behauptung zeichnete sich durch Überzeugungskraft aus; in solcher Hinsicht konnten ihre Sinne sie nicht trügen. Das Schwerwiegende seines plötzlichen Verstehens zwang ihn auf den Boden nieder. Seine Beine weigerten sich, das Gewicht der Enthüllung zu tragen. Schwanger.
Das war der Grund, weshalb Hollian voller Freude war und sich in Sunder solcher Grimm staute. Sie freute sich über die Schwangerschaft, weil sie ihn liebte. Und weil er sie liebte, war er entsetzt. Die Suche nach dem Einholzbaum war fehlgeschlagen. Die Aufgabe, zu deren Bewältigung Covenant die Steinhausener ins Oberland zurückgeschickt hatte, war nicht erfüllt worden. Und Sunder war bereits einmal Frau und Kind zu töten gezwungen gewesen. Er sah keine Zukunft mehr.
»Ach, Sunder.« Covenant war nicht sicher, ob er tatsächlich laut sprach. Die Augen tränenüberströmt, neigte er den Kopf. Sein Scheitel hätte mit Asche und Kot beschmiert sein müssen. »Verzeih mir. Es tut mir ja so leid.«
»Ist's also deine Schuld, daß die Suche mißlungen ist?« fragte Sunder. Seine Stimme klang so harsch, als verspüre er Haß. »Hast du bewirkt, daß nun mein Versagen dem Verhängnis noch die Pforte aufgetan hat?«
Ja, entgegnete Covenant; laut oder lautlos, aber das machte keinen Unterschied aus.
»So vernimm denn meine Worte, Ur-Lord.« Sunders Stimme kam näher. Gram verlieh ihr nun einen düster-trübseligen Tonfall. »Zweifler und Träger des Weißgolds. Übelender und Bewahrer des Lebens.« Seine Hände ergriffen Covenants Schultern. »Hör mich an!« Covenant blickte auf, rang um Selbstbeherrschung. Der Steinmeister kauerte vor ihm. Sunders Augen waren verschleiert; Perlen feuchten Feuerscheins rannen ihm über die hart verkrampften Kiefer. »Als du mich dazu bewogen hast, meinem Heim und meinen Pflichten in Steinhausen Mithil zu entsagen«, sagte er schwerfällig, »da forderte ich von dir, mich nicht zu hintergehen. Du hast mich unter einer Sonne der Dürre nach meinem Freund Marid zu suchen gezwungen, den du nicht retten konntest ... dich geweigert, den Nutzen meines Blutes für dich in Anspruch zu nehmen ... und von mir verlangt, daß ich Aliantha verzehre, die ich allein als Gift kannte ... und deshalb bat ich dich um mehr als bloße Treue. Ich erflehte von dir den Sinn meines Lebens ... und einen Sinn für den Tod meines Vaters Nassic. Aber das alles war dir noch längst nicht genug. Hollian, Amiths Tochter, hast du inmitten von Steinhausen Kristall der Gefahr entrissen, gerade so, als wäre es dein Wunsch gewesen, daß ich ihr meine Liebe schenke. Und als wir gemeinsam in die Hände der Sonnengefolgschaft fielen, sind wir von dir aus ihrem Kerker befreit, ist uns durch dich das Leben wiedergegeben worden. Und auch das war dir noch zuwenig. Sobald du uns gelehrt hattest, die Bosheit der Sonnengefolgschaft zu ersehen, hast du ihrem Verbrechen den Rücken gewandt, wiewohl es im Antlitz des ganzen Landes nach Vergeltung schrie. Da hast du mich hintergangen, Ur-Lord. Den Sinn des Lebens, dessen ich so dringlich bedurfte, hast du verworfen. Statt dessen hast du mich mit einer Aufgabe betraut, die meine Kräfte überstieg.«
Das war die Wahrheit. In seinem Zustand des Blutverlusts, der Torheit und Gemütserregung hatte Covenant selbst die Verantwortung für die Tatsachen auf sich geladen, die er Sunder anzuerkennen genötigt hatte. Und dann hatte er versagt. Was war das anderes, wenn nicht Verrat? Sunders Vorwürfe ließen ihn von Reue und Tränen überquellen. Aber Sunder war noch nicht fertig. »Daher ist's mein Recht«, sprach er weiter, »von dir gehört zu werden.« Er redete, als unterhielte er sich mit den schmuddligen Streifen, die Covenants heiße Tränen ihm durchs Gesicht zogen. »Ur-Lord und Zweifler, Träger des Weißgolds, du hast mich hintergangen – und doch bin ich frohen Herzens über deine Rückkehr. Wiewohl du ohne Hoffnung kommst, bist du die einzige Hoffnung, die
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