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Der Ring der Kraft - Covenant 06

Der Ring der Kraft - Covenant 06

Titel: Der Ring der Kraft - Covenant 06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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    Als Covenant ihm das erste Mal begegnete, hatten die jugendlichen Gesichtszüge des Steinhauseners infolge der ungelösten Problematik seines Amtes seltsame Wirrheit und innere Konflikte bezeugt. Sein Vater hatte ihn gelehrt, daß die Welt nicht das sei, was die Sonnengefolgschaft von ihr behauptete – ein Ort der Strafe für die Sünden der Menschen –, und daher war es ihm nie gelungen, sich mit den Handlungen abzufinden, die das Greuel des Sonnenübels und die Herrschaft der Sonnengefolgschaft ihm abverlangten, oder sie sich zu verzeihen. Uneingestandener Widerwille hatte seine Stirn gekennzeichnet; seine Augen waren von angehäuftem Kummer stumpf gewesen; er hatte die Angewohnheit gehabt, oft mit den Zähnen zu knirschen, als mahle er auf dem bitteren Schrot seiner inwendigen Unversöhnlichkeiten. Nun aber glich er dem spitzen, scharfen Dolch, den er früher verwendet hatte, um das Leben der Menschen zu opfern, die er liebte. Im Feuerschein glänzten seine Augen wie Klingen. Und seine sämtlichen Bewegungen fielen durch unterdrückten Zorn verkrampft aus, eine wilde, nachgerade fassungslose Wut, die er nicht abzureagieren vermochte.
    In seiner Miene stand keinerlei Willkommen. Die Erste hatte ihm mitgeteilt, daß die Suche gescheitert war; dennoch deutete sein Verhalten an, daß seine Erbitterung nicht dem Zweifler galt, vielmehr sogar bloße Erleichterung und Wiedersehensfreude etwas geworden waren, dem sich unmöglich noch Ausdruck verleihen ließ.
    Betroffen schaute Covenant zu Hollian hinüber, um womöglich eine Erklärung von ihr zu bekommen. Auch bei der Sonnenseherin hatte das Leben der letzten Zeit Spuren hinterlassen. Ihr Lederkleid war stellenweise zerfetzt und nur notdürftig geflickt. Ihre Arme und Beine waren dünn, offensichtlich eine Folge karger Ernährung und ständiger Gefahr. Dennoch stand ihre Erscheinung zu Sunder in bemerkenswertem Kontrast. Beide besaßen sie den stämmigen Körperwuchs, wie er typisch war für Steinhausener, waren schwarzhaarig und untersetzt; Hollian war allerdings jünger als Sunder. Außerdem war sie ganz anderer Herkunft als er. Bis zu dem schrecklichen Ereignis, das sie um ihr Zuhause brachte – als ein Gefolgsmann ihr Leben forderte und sie von Covenant, Linden und Sunder herausgehauen worden war –, hatte sie als das geachtetste Mitglied in ihrer Dorfgemeinschaft gelebt. Als Sonnenseherin mit der Gabe ausgestattet, die Phasen des Sonnenübels voraussagen zu können, hatte sie ihrem Dorf einen für das Überleben wichtigen Vorteil geboten. Ihr damaliges Dasein war mit kaum etwas Ähnlichem wie den Selbstzweifeln und persönlichen Verlusten verbunden gewesen, die Sunders Leben verdüstert hatten. Und diese Unterschiedlichkeit der beiden trat nun noch deutlicher hervor. Statt Verdrossenheit – wie Sunder – legte sie ein heiter-gelassenes Gebaren an den Tag, war im gleichen Maße von einer Stimmung herzlichen Willkommens erfüllt, wie sich Sunder schroff benahm. Wären die Blicke, die sie dem Steinmeister zuwarf, nicht so voller Zuneigung gewesen, hätte Covenant gedacht, die zwei wären einander fremd geworden. Das schwarze Haar jedoch, das ihr um die Schultern wehte wie die Schwingen eines Raben, war unverändert. Es versah sie noch immer mit einem Flair des Fatalen, einer Andeutung von Unheilvollem.
    Beschämt stellte Covenant fest, daß er auch nicht wußte, was er zu ihr sagen sollte. Sie und Sunder beeindruckten ihn zu stark; sie bedeuteten ihm zuviel. Hier werdet ihr keine Hoffnung finden. Dank eines plötzlichen Empfindens, das an Intuition grenzte, erkannte er, daß das Paar sich keineswegs voneinander entfremdet hatte. Sunder war gerade deshalb, weil Hollian so froh war, derartig mißmutig und verbittert; und ihr Frohsinn entsprang denselben Wurzeln wie seine Zermarterung. Doch diese Erkenntnis verhalf Covenant zu keinen Worten, die auszusprechen er hätte ertragen können.
    Wo war Stell? Wo waren die Bewohner des Landes? Und die Haruchai? Und was hatten die beiden Steinhausener erlebt?
    Die Erste versuchte, das verlegene Schweigen mit der den Riesen eigenen Höflichkeit zu überbrücken. Früher pflegte in solchen Situationen Blankehans die Rolle des Sprechers zu übernehmen; aber offenbar stand ihm nun nicht mehr danach der Sinn. »Stein und See!« begann die Erste. »Steinmeister Sunder, Sonnenseherin Hollian, es erhebt mir das Herz in Freuden, euch wiedersehen zu dürfen. Als wir voneinander schieden, hätte ich schwerlich zu träumen gewagt,

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