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Der Ring der Kraft - Covenant 06

Der Ring der Kraft - Covenant 06

Titel: Der Ring der Kraft - Covenant 06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Covenant dachte, sie werde auf ihn losgehen, ihn beschimpfen. Aber sie tat es nicht. Für ihr Wahrnehmungsvermögen mußte die Natur seiner Aufgewühltheit schmerzlich durchschaubar sein. Sie hielt die Arme für einen ausgedehnten Moment erhoben, als ermäße sie den Abstand, den ein Schlag, der ihn treffen sollte, zu überwinden hätte. Dann senkte sie die Hände. »Ich hab's nicht so gemeint«, sagte sie in dem ausdruckslosen, unpersönlichen Ton, den sie ihm gegenüber seit längerem nicht verwendet hatte.
    »Ich weiß.« Ihre Distanziertheit peinigte ihn stärker, als Wut ihm weh getan hätte. Nun war er der Überzeugung, daß sie ihn zum Weinen bringen konnte, wenn sie es wünschte. »Es tut mir leid.« In der klaren Kühle der Nacht wirkte seine Zerknirschung armselig, doch er hatte nicht mehr zu bieten. »Jetzt bin ich hier ... aber ich hätte genausogut in der Höhle des Einholzbaums bleiben und mit ihm absaufen können. Ich weiß nicht, wie ich zurechtkommen soll.«
    »Dann laß zu, daß man dir hilft.« Lindens Stimme klang nicht freundlicher; sie feindete ihn jedoch nicht an. »Wenn nicht für dich, dann tu's wenigstens für mich. Ich stehe auf der Kippe. Ich kann nichts anderes tun ...« – sie sprach jedes einzelne Wort sorgfältig aus – »als zuschauen, was das Sonnenübel anrichtet, und versuchen, trotzdem bei Verstand zu bleiben. Wenn ich dich leiden sehe, kann ich mich kaum noch zurückhalten. Solange ich keine Macht habe, kann ich nichts gegen Lord Foul unternehmen. Oder das Sonnenübel. Also bist du der einzige Grund, den ich habe. Ob's dir gefällt oder nicht. Ich bin deinetwegen hier. Nur deinetwegen mache ich mir die Mühe, nicht einfach zusammenzuklappen. Ich will etwas tun ...« Wieder erhob sie die Fäuste wie einen Schrei der Entrüstung, aber ihre Stimme blieb gefaßt. »Für diese Welt ... oder gegen Lord Foul ... Und zwar deinetwegen. Ich kann es nicht mehr aushalten, wenn du so weitermachst.« Auf einmal ließ ihre Beherrschung nach, und Schmerz schwoll in ihrer Stimme an, wie Blut aus einer Wunde quoll. »Es ist wichtig für mich, daß du zumindest aufhörst, herumzulaufen und auszusehen wie mein gottverdammter Vater!«
    Ihr Vater, dachte Covenant sprachlos. Ein Mann, der so voller Selbstmitleid gewesen war, daß er sich die Pulsadern aufgeschnitten und seiner Tochter die Schuld gegeben hatte. Du hast mich ja sowieso nie geliebt. Und jener schauderhaften Tat war die Finsternis entsprungen, die Lindens ganzes Leben nachteilig beeinflußt hatte, die Ursache ihrer trübseligen Anwandlungen, der an ihrer Mutter verübten Scheußlichkeit, ihrer Anfälligkeit für das Böse, ihrer lähmungsartigen Zustände der Handlungsunfähigkeit, ihres Anschlags auf Ceers Leben.
    Lindens Aufbegehren drohte Covenant das Herz zu zerreißen. Es zeigte ihm mit einer Klarheit, die ihm den Atem nahm, wie wenig er es sich leisten durfte, ihre Erwartungen zu enttäuschen. Jede andere Pein oder Bedrohung war vorzuziehen. Unwillkürlich faßte er einen neuen, einen anderen Vorsatz, der all den sonstigen Versprechen nicht nachstand, die er gebrochen oder gehalten hatte.
    »Ich kenne die Lösung nicht«, sagte er, blieb ganz ruhig, aus Furcht, sie könne merken, wie sehr von dem, was er äußerte, sein Leben abhing. »Ich weiß nicht, was nötig ist. Aber ich weiß, was gegen die Sonnengefolgschaft getan werden kann.« Er verschwieg, zu welchen Einsichten seine Alpträume ihm verholfen hatten. Er wagte nicht, es ihr mitzuteilen. »Sobald wir das erledigt haben, werde ich mehr wissen. So oder so.«
    Linden baute auf sein Wort. Sie hatte das stärkste Bedürfnis, ihm Vertrauen zu schenken. Sonst könnte sie ihn gezwungenermaßen nicht anders behandeln, als wäre er so verloren wie ihre Eltern; und diese Alternative war ihr ganz offensichtlich ein Grauen. Sie nickte bei sich, verschränkte die Arme unterhalb ihrer Brüste und verließ die Kuppe der Anhöhe, kehrte zurück in die Zuflucht und die karge Wärme der Höhle.
    Covenant blieb noch für eine beträchtliche Weile länger draußen in der Dunkelheit allein. Aber er brach nicht zusammen.

9
     

WEG IN DEN KAMPF
     
     
    Noch vor dem Anbruch der Morgendämmerung nahm die vergrößerte Gruppe der Gefährten ein Frühstück ein und erkletterte den nächstgelegenen Abhang, um den Sonnenaufgang mit Stein unter den Füßen zu erwarten. Verhärmt beobachtete Covenant den Osten, halb von der Sorge geplagt, das Sonnenübel könne sich inzwischen auf eine lediglich

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