Der Ring der Kraft - Covenant 06
uns singen wird, blieben wir der Suche nicht treu? Wir werden nicht von deiner Seite weichen.«
Covenant zog den Kopf ein, als fühle er sich gedemütigt oder habe Befürchtungen. Möglicherweise entsann er sich an Salzherz Schaumfolger. Aber seine Weigerung oder sein Unvermögen, Lindens Blick zu erwidern, galt ihr als Beweis dafür, daß sie ihn nicht mißverstanden hatte. Noch immer bemühte er sich vergeblich darum, sie zu schützen, ihr die Konsequenzen ihrer Entscheidungen zu ersparen, deren Folgen, von denen sie keine Ahnung hatte, wie sie ihre Tragweite einschätzen sollte. Und selbstverständlich war er auch darauf bedacht, zu vermeiden, daß sie ihm bei dem, was er beabsichtigte, Schwierigkeiten bereitete. Er setzte sich jedoch dem nicht aus, was sie ihm entgegnet haben würde, hätte er sich mit ihr direkt darüber unterhalten. »Dann laßt uns gehen«, sagte er nur leise. Die Worte waren kaum vernehmlich. »Ich weiß nicht, wie lange ich das alles noch verkraften kann.«
Bereitwillig nickte die Erste und stapfte unverzüglich voraus, strebte zu einem durch Erosion geschaffenen Einschnitt, der eine Abstiegsmöglichkeit hinab zum Uferpfad bot. Mit einer Faust umklammerte sie den Griff ihres Schwerts. Wie ihre Gefährten hatte auch sie im Verlauf der Suche zu vieles verloren. Sie war Kriegerin, und es verlangte sie danach, den Preis in Schwerthieben zu bemessen. Unbeholfen kletterte Covenant ihr nach. Die einzige Kraft, über die seine Gliedmaßen noch verfügten, war die Verstocktheit seines Willens.
Linden machte Anstalten, den beiden zu folgen; aber da drehte sie sich nach Pechnase um. Er verharrte noch am Rande des Hügels, blickte ins Dahinrauschen des Stroms hinunter, als rissen die Wasser sein Herz mit sich fort. Obwohl er eineinhalbmal so groß war wie Linden, wirkte er infolge des verkrümmten Rückgrats und seiner grotesk entstellten Gesichtszüge alt und gebrechlich. Seine stumme Pein war so ersichtlich wie Tränen. Seinetwegen schob Linden für den Moment alles andere in den Hintergrund.
»In dieser Beziehung hat er auf jeden Fall die Wahrheit gesagt. Es ist nicht erforderlich, daß ihr für ihn kämpft. Das ist vorbei.« Pechnase richtete seinen Blick wie ein Flehen auf Linden. »Und wenn er sich irrt, kann ich ihn immer noch aufhalten«, ergänzte sie mit entschiedenem Nachdruck. Das stimmte; das Sonnenübel, Wütriche und Andelains Leid hatten sie dazu befähigt. »Die Erste ist es, die dich braucht. Sie kann Foul unmöglich mit einem gewöhnlichen Schwert schlagen – aber ihr ist zuzutrauen, daß sie's versucht. Du darfst nicht zulassen, daß sie in den Tod geht.« Das darfst du dir nicht antun! Opfere sie nicht meinetwegen!
Pechnases Miene nahm einen scharfen Ausdruck wie zu einem Schrei an. An seinen Seiten öffnete er die Hände, zeigte Linden und dem von der Sonne der Dürre lehmigen Himmel, sie waren leer. Nässe verschleierte ihm den Blick. Für einen Moment befürchtete Linden, er werde Lebewohl sagen; und herber Gram schnürte ihr die Kehle ein. Da jedoch veränderte ein andeutungsweises Lächeln seinen Gesichtsausdruck. »Linden Avery«, sagte er mit Betonung, »habe ich nicht stets allen, die's hören mochten, versichert und bekräftigt, daß du zu Recht die Auserwählte bist?« Er neigte sich vor und küßte Linden auf die Stirn. Dann eilte er der Ersten und Covenant hinterdrein.
Nachdem Linden sich die Tränen von den Wangen gewischt hatte, folgte sie ihm. Hohl blieb in seinem habituellen Gleichmut hinter Linden. Diesmal allerdings war ihr, als spüre sie in ihm Anzeichen von Erwartung, eine schwer erfaßbare Anspannung, wie sie ihm nicht wieder anzumerken gewesen war, seit die Gefährten Elemesnedene betreten hatten.
Indem sie sich vorsichtig durch den Einschnitt einen Weg nach unten suchte, gelangte Linden auf die unebene, simsartige Fläche des Uferpfades; drunten warteten ihre Gefährten bereits auf sie. Pechnase stand neben der Ersten, hatte seinen Platz an ihrer Seite wieder eingenommen; doch sowohl die Schwertkämpferin wie auch Covenant sahen Linden entgegen. Der Blick der Ersten spiegelte ein Gemisch froher Erleichterung und Verunsicherung wider. Sie hätte alles begrüßt, was die Freudlosigkeit ihres Gatten linderte; aber sie war sich über die Bedeutung dessen, was zwischen ihm und Linden vorgefallen war, im unklaren. Covenant machte es sich einfacher. »Ich weiß nicht, was du zu ihm gesagt hast«, flüsterte er Linden durch das Lärmen des eingezwängten
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