Der Ring der Kraft - Covenant 06
zu hell, als daß irgendein Eindringling sich der Schrathöhlenbrücke unbemerkt hätte nähern können. Einige Sekunden lang beanspruchte das Licht Lindens Aufmerksamkeit. Es erinnerte sie an das Hitzemeer glühenden Gesteins, in dem sie und ihre Begleiter fast den Tod gefunden hätten. Die Strahlung dieses Lichts jedoch war rötlicher, wütiger. Der Helligkeitsschein beleuchtete den Zugang zu den Schrathöhlen, als könne niemand die Brücke in Hoffnung oder Frieden überqueren.
Aber nicht die Kluft, die Brücke und das Licht hatten die Erste so verblüfft. Ein Ruck durchfuhr Linden, während ihr Blick durchs Gewölbe schweifte. Am Fuß der Schrathöhlenbrücke stand Hohl. Anscheinend wartete er dort auf Covenant oder Linden. Zwei Gestalten mit langen Gliedmaßen lagen bei ihm auf dem Stein. Sie waren tot. Doch sie waren es noch nicht lange; das Blut, in dem sie ruhten, war noch warm. Findails Miene zeigte flüchtig einen Ausdruck schmerzlichen Grams.
Die Flamme der Fackel loderte nun direkt über der Faust der Ersten. Sie warf den nutzlos gewordenen Stumpf in den Abgrund. Das Schwert mit beiden Händen gepackt, schritt sie in die Richtung zur Brücke.
»Warte!« Covenants Ruf klang rauh und eindringlich. Sofort verharrte die Erste. Die Spitze ihrer Klinge suchte in der Luft nach unsichtbaren Gefahren. Covenant drehte sich nach Linden um, den Blick so düster wie Blutvergießen. Er äußerte seine Beunruhigung in abgehackten Worten. »Letztes Mal ... wäre ich hier beinahe umgekommen. Seibrich hat diese Säulenverwendet, um ... das Steinlicht ... ich dachte, ich wäre drauf und dran, den Verstand zu verlieren.«
Seibrich Felswürm war jener Höhlenschrat gewesen, der lange nach dem Ritual der Schändung den Stab des Gesetzes wiedergefunden gehabt hatte. Er hatte ihn benutzt, um zwischen den Grundfesten des Donnerbergs den Weltübel-Stein auszugraben. Und als Covenant und die Lords Seibrich den Stab entrangen, war dieser Erfolg gleichzeitig mit dem unseligen Nachteil verbunden gewesen, daß sie den Weltübel-Stein Lord Fouls Hand auslieferten.
Angestrengt konzentrierte Linden ihre Wahrnehmung auf die Säulen. Sie untersuchte sie auf Anzeichen von Gefahr, begutachtete die Luft zwischen ihnen und dem uralten Stein der Schrathöhlenbrücke. Im Laufe von Jahrhunderten um Jahrhunderten war der Stein so glatt wie Verlogenheit geworden, ausgetreten von zahllosen Füßen. Doch die Brücke bedeutete keine Bedrohung. Grimmig schimmerten die Säulen von Steinlicht, ohne irgendwelche Besonderheiten zu verbergen. Langsam schüttelte Linden den Kopf. »Da ist nichts.«
»Bist du ...?« begann Covenant eine Frage; dann jedoch verdrängte er seine Besorgnis. Mit einem Wink schickte er die Erste voran, dann machte er sich daran, die Länge der Schrathöhlenbrücke zu überqueren, als ob ihn alle paar Schritte Schwindelanfälle beschlichen.
An ihrem Scheitelpunkt zuckte er plötzlich zusammen, schlug mit den Armen um sich, mußte um sein Gleichgewicht kämpfen. Linden faßte, stützte ihn. Pechnase schlang die Arme um ihn und Linden. Nach und nach fand sich Covenant zurück ins stille Zentrum seiner Gewißheit, die Stelle, an der Schwindelgefühl und Panik ihn umwirbelten, aber nicht antasten konnten. Nach einem Weilchen war er zum Weitergehen imstande, holte die Erste und Hohl ein, die schon am anderen Ende der Brücke warteten.
Mit der Schwertspitze stieß die Erste die beiden Leichen an, die in der Nähe des Dämondim-Abkömmlings hingestreckt lagen. Linden hatte derartige Wesen noch nie gesehen. Sie besaßen Hände, klobig und breit wie Schaufelblätter, Schädel wie Rammböcke, Augen ohne Pupillen und Regenbogenhäute, nun glasig vom Tod. Die Schmächtigkeit ihrer Rümpfe und Gliedmaßen bildete einen lediglich scheinbaren Gegensatz zur Offensichtlichkeit ihrer Körperkräfte. Aber sie waren nicht stark genug gewesen, um es mit Hohl aufnehmen zu können. Beiden hatte er die Knochen gebrochen wie trockenes Holz.
»Höhlenschrate«, konstatierte Covenant leise. Seine Stimme rasselte ihm in der Kehle. »Anscheinend bedient Foul sich ihrer als Wächter. Wahrscheinlich haben sie Hohl angegriffen, als er hier aufgekreuzt ist.«
»Ist's möglich ...« – die Erste starrte ins Steinlicht –, »daß sie, ehe sie fielen, unsere Ankunft zu melden vermochten?«
»Möglich?« brummte Covenant. »Kannst du dir bei dem Glück, das wir haben, einen Grund vorstellen, aus dem wir annehmen dürften, es wäre ihnen nicht
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