Der Ring der Kraft - Covenant 06
der Elemesnedene umschloß. Was aber die Quellen seiner Erkenntnisse auch sein mochten, jedenfalls spürte Linden, daß er seine Begleiter durch Hohlräume geleitete, die niemand mehr bewohnte oder benutzte. Allesamt rochen sie nach Verlassenheit, vergessenem Tod – und irgendwie, auf bestimmte, schwer faßbare Art, nach Urbösen, als wären diese Teile der Katakomben einmal den Produkten der Urbösen vorbehalten gewesen: doch jetzt war alles Derartige fort, vielleicht für immer. Linden konnte keinen Geruch, keinen Laut von Lebendigem bemerken.
Hier gab es kein Leben außer der harten Existenz des Donnerbergs selbst, mit seinem unendlich langsamen Atmen, seinem Geist, der zu träge funktionierte, um unterscheidbar zu sein, zu unkenntlich verborgenen, starren Absichten, als daß die Sinne Sterblicher daran teilhaben könnten. Linden war zumute, als streife sie durch die Eingeweide eines Organismus, der ihr in jeder Beziehung unverhältnismäßig überlegen war – und dennoch zu gewaltig und zeitbeständig, um sich selber gegen schnelles Unheil verteidigen zu können. Der Donnerberg verabscheute die Übel und die Schlechtigkeit, die in ihm hausten, die Zwecke, für die man seine Tiefen mißbrauchte. Warum sonst sollte in dem Felsgestein soviel geballter Grimm stecken? Aber der Tag, an dem der Berg von sich aus für seine Säuberung sorgen mochte, mußte noch um Jahrhunderte oder Jahrtausende in der Zukunft liegen.
Die Gestalt der Ersten verdunkelte einen Großteil von Findails heller Körperaura. Doch Linden hatte kein Licht nötig, um zu ersehen, daß sich Hohl unverändert hinter ihr hielt, daß Covenant, wacklig aus Erschöpfung, nur noch mit knapper Not auf den Beinen blieb, eigentlich schon der Länge nach am Boden ausgestreckt sein müßte. Anscheinend war er jedoch willens, so lange weiterzulaufen, bis er zusammenbrach. Aus Rücksicht auf ihn verlangte sie schließlich von Findail das Einlegen einer Rast. »Mit dieser Schinderei bringen wir uns ja um.« Ihr selbst zitterten von den Strapazen die Knie; Mattigkeit pochte ihr in den Schläfen. »Wir müssen uns ausruhen!«
Findail willigte mit einem Achselzucken ein. Die Gruppe hielt sich gegenwärtig in einer groben Felskammer auf, in der nichts vorhanden war außer schaler Luft und Dunkelheit. Halb rechnete Linden damit, Covenant werde Einspruch erheben; aber er tat es nicht. Benommen ließ er sich auf den Boden sinken, lehnte sich in seiner Zerschlagenheit an die Felswand.
Während er vor sich hin seufzte, kramte Pechnase in den Vorratsbündeln, suchte Diamondraught und etwas zu essen. Er teilte Getränk und Nahrung an die Gefährten aus, hob nur wenig für die Zukunft auf. Die Zukunft der Suche, ob sie gut oder schlecht ausging, würde nicht mehr von langer Dauer sein. Linden aß, soviel sie hinabzwingen konnte, trank jedoch nur einen Schluck Diamondraught, damit sie nicht etwa einschlief. Danach widmete sie ihre Aufmerksamkeit Covenant.
Er zitterte schwach vor sich hin. In Findails Lichtschein sah er blaß und gespenstisch aus, die Augen wie Asche, dem Untergang geweiht. Sein Körper schien aus dem Essen, das er zu sich nahm, keinerlei Stärkung zu beziehen. Selbst der Diamondraught hatte auf ihn kaum Wirkung. Er wirkte wie jemand, der innerlich verblutete. Auf dem Kevinsblick hatte er die Wunde in seiner Brust mit wilder Magie geheilt. Aber keine Macht konnte den Messerstich ungeschehen machen, den er in den Wäldern hinter der Haven Farm erhalten hatte. Nun war es, als nähere sich seine körperliche Verfassung hier der des Körpers an, der zurückgeblieben war, das durchbohrte Fleisch, dem noch das Messer aus den Rippen ragte. Er hatte ihr vorausgesagt, daß es so kommen mußte.
Andere Anzeichen allerdings fehlten. Man sah keine Prellungen jener Art, die er sich zugezogen hatte, als man ihm Joan entriß. Und er hatte noch den Bart. Linden klammerte sich an diese Dinge, weil sie zu bedeuten schienen, daß er nicht kurz vor dem Tod stand.
Fast hätte sie aufgeschrien, als er das Messer zückte, das er aus Schwelgenstein mitgenommen hatte, und Pechnase um Wasser bat. Ohne irgendeine Rückfrage goß Pechnase das letzte Wasser der Gefährten in eine Schüssel und reichte sie dem Zweifler. Ungeschickt benäßte Covenant sich den Bart, hob das Messer an die Kehle. Seine Hände bebten, als erfülle ihn Entsetzen. Doch durch eigene Wahl brachte er sich wieder mit dem Bild seines Todes in Übereinstimmung. Linden mußte alle Zurückhaltung aufbieten, um
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