Der Ring der Kraft - Covenant 06
Kochs entgegennahm, schlang sie die Arme um seinen Hals, während er sie in eine Decke wickelte. Dann bot Cail ihr Pechnases Schlauch mit dem Diamondraught an. Linden schlotterte noch heftig, aber sie hob den Schlauch an den Mund. Allmählich entstanden auf ihren Wangen zwei Tupfer wiedergekehrter Farbe.
Covenant drehte sich um und verbarg sein Gesicht an Pechnases mißgebildeter Brust, bis seine Erleichterung so weit nachgelassen hatte, daß er sie ertragen konnte. Für ein Weilchen, während in ihr die Wirkung des Diamondraught einsetzte, blieb Linden wach. Obwohl sie dermaßen schwach war, daß sie taumelte, löste sie sich aus Nebelhorns Armen. Die Decke um sich gebreitet, streifte sie ihre nasse Kleidung ab. Dann suchte ihr Blick Covenants Augen. Er erwiderte ihn so tapfer, wie er es vermochte. »Warum ...?« fragte sie heiser. Ihre Stimme bebte. »Warum haben wir ihnen nicht helfen können?«
»Das war bloß der Seelenbeißer.« Lindens Frage verschleierte Covenant die Sicht. Was sie gesehen hatte, plagte ihr Herz noch immer. »Es hat sich nur um Illusionen gehandelt. Er hat sie erzeugt, damit wir verdammt wären, wenn wir ihnen nicht helfen, und genauso verdammt, hätten wir geholfen, eines dieser Dinger an Bord geholt.« Seelenbeißer , dachte er, darum bemüht, sein Blickfeld zu klären. Der Name paßt. »Den Einfluß des Phänomens zu brechen war der einzige Ausweg.«
Linden nickte schwächlich. Sie begann der Umarmung des Diamondraught zu erliegen. »Das war, als hätte ich meine Eltern gesehen.« Sie schloß die Lider. »Als wären sie so mutig, wie ich sie gerne gehabt hätte.« Ihre Stimme verklang mit dem letzten Satz. »Als hätte ich mir erlaubt, sie zu lieben ...« Dann gaben ihre Knie nach. Sachte senkte Nebelhorn sie auf ihre Lagerstatt, breitete zusätzliche Decken über Linden. Sie war bereits eingeschlafen.
Mit der Zeit verbreitete sich in der Kombüse wieder die gewohnte Wärme. Seesoße und Herdglut schufteten wie Titanen, um der schwer beanspruchten Mannschaft den Genuß warmer Nahrung zu ermöglichen. Indem Blankehans das Verhalten, das die Dromond im Sturm an den Tag legte, zusehends besser in den Griff bekam, ging er dazu über, grüppchenweise Riesen zum Essen und Verschnaufen zu schicken; bald herrschte in der Kombüse ein ständiges Kommen und Gehen. Die Riesen traten mit weißgrauem Reif im Haar und Abgekämpftheit in den Augen ein. Der gleiche verhärmte Blick der Erinnerung kennzeichnete sämtliche Gesichter. Aber der Geschmack warmer Speisen und das kameradschaftliche Gefrotzel der Köche trösteten sie; und wenn sie an ihre Arbeit zurückkehrten, zeigten sie wieder mehr von ihrer gewöhnlichen Liebe zur See und ihrem üblichen Mut. Sie hatten den Seelenbeißer überstanden. Wacker nahmen sie erneut das Ringen mit der bitterlichen Grausigkeit der See auf.
Covenant blieb für eine ganze Weile in der Kombüse, um auf Linden achtzugeben. Ihr Schlummer war so tief, daß er ihm instinktives Mißtrauen entgegenbrachte. Er rechnete dauernd damit, daß sie wieder in die käsige Blässe drohenden Erfrierens verfiel. Sie wirkte so klein, zerbrechlich und begehrenswert, wie sie da beinahe zwischen den Füßen der Riesen ruhte. Doch ihre Gestalt, die zusammengekrümmt unter den Decken lag, brachte ihm auch andere Erinnerungen zurück; und schließlich wichen Erleichterung und Wärme in ihm dem Gefühl unabwendbaren Verlusts. Sie war die einzige Frau, die er kannte, die seine Krankheit verstand und ihn trotzdem akzeptierte. Ihre beharrliche Treue zu ihm – und dem Land – hatte sich bereits als stärker erwiesen als seine Verzweiflung. Er sehnte sich danach, sie in die Arme zu schließen, an sich zu drücken. Aber er besaß zu so etwas nicht mehr das Recht. Und in ihrem Erholungsschlaf brauchte sie seine anhängliche Fürsorge nicht. Um dem Schmerz dessen, was er verloren hatte, zu entgehen, hüllte er sich fest in seinen Überwurf und trat in den schneidend-scharfen Wind hinaus.
Augenblicklich stolperte er in ein Schneetreiben, das so dicht war wie Nebel. Der Schnee wehte ihm ins Gesicht. Eis knirschte unter Covenants Füßen. Als er seine Augen freizwinkerte, erkannte er rundum auf den Decks und in der Takelage Stecknadelköpfe von Licht. Der Schnee trübte den Tag so stark, daß die Riesen dazu gezwungen gewesen waren, Laternen anzuzünden. Dieser Anblick beunruhigte Covenant. Wie mochte Blankehans es nur schaffen, das Riesen-Schiff blindlings und mit derartig ungestümer
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