Der Ring der Kraft - Covenant 06
Schnelligkeit durch eine solche See zu steuern, wenn die Besatzung sich nicht um die Segel kümmern konnte, ohne Lampen zu benutzen? Aber der Kapitän hatte gar keine Wahl. Solange der Wind so stürmisch wehte, blieb der Dromond sozusagen nichts anderes übrig, als die Zähne zusammenzubeißen und durchzuhalten. Covenant besaß auf das keinerlei Einfluß. Indem er die vom Eis glatten, mit Schnee behäuften Decks dank Cails Unterstützung zu überqueren vermochte, suchte er nach der Ersten.
Aber als er sie in der Kabine antraf, die sie zusammen mit Pechnase bewohnte, stellte er fest, daß er nicht wußte, was er zu ihr sagen sollte. Die Erste putzte ihr Schwert, und die langsamen Bewegungen, mit denen sie es polierte, waren durch einen gewissen vorsätzlichen Grimm gekennzeichnet, der andeutete, daß auch sie das Schicksal der ›Sternfahrers Schatz‹ aus ihrer Hand genommen sah. Sie hatte den Bann des Seelenbeißers gebrochen; nun konnte sie nichts mehr tun. Für einen ausgedehnten Moment teilten Covenant und die Erste einen festen Blick der Entschlossenheit und Ratlosigkeit. Dann wandte er sich ab.
Es schneite ununterbrochen weiter. Die Schneeflocken füllten die ganze Luft aus, und der Wind fegte sie herab, so daß der Himmel so düster wirkte, als verdunkle ihn Asche.
Mit dem Schneefall ergab sich eine leichte Mäßigung der Temperatur; auch die Heftigkeit des Winds ließ ein wenig nach. Als Reaktion darauf gebärdete sich jedoch die See um so wütiger. Und das Schiff segelte nicht länger in der Richtung des Sturmwinds. Andere Kräfte hatten es dem Zugriff des Sturms entwunden, zwangen die ›Sternfahrers Schatz‹ dazu, mühselig schräg zur Hauptrichtung des Wehens zu schwimmen. Blankehans korrigierte den Kurs, soweit er es wagte, um sich dem Meer anzupassen; aber der Wind gewährte ihm nur wenig Spielraum. Infolgedessen machte das schwere Schiff beschwerliche, wüste Fahrt, schaukelte unsicher auf und ab, schwebte jeweils für einen Moment, in dem die Dromond sich außer Kontrolle befand und der den Magen umzudrehen drohte, auf der Höhe der Wellenkämme, und jedem solchen Moment folgte ein Sturz, der das Heck bis zur Reling in schwarzes Wasser tauchte. Nur das furchtlose Betragen der Riesen überzeugte Covenant davon, daß die ›Sternfahrers Schatz‹ nicht unmittelbar davor stand, zu versinken.
Kurz vor Sonnenuntergang hörte der Schneefall auf, und zeitweilig glänzte schwache, schmutzig-gelbe Helligkeit über den aufgewühlten Fluten. Sofort schickte Blankehans Besatzungsmitglieder in den Ausguck und die Wanten, damit sie an die Horizonte ausspähten, ehe das Tageslicht vollends schwand. Doch es befand sich kein Land in Sicht. Dann legte sich eine von Wolken verhangene Nacht über das Riesen-Schiff, und die ›Sternfahrers Schatz‹ fuhr der Finsternis einer undurchdringlichen Nacht entgegen.
Covenant erduldete den Sturm in der Kombüse, den Rücken in den Winkel einer Wand und eines Herds gelehnt, den Blick auf Linden gerichtet. Sie schlief so friedlich, ohne vom Dahintaumeln des Schiffs etwas zu merken, daß sie ihn an das Land erinnerte, wie es gewesen war, ehe die Heimsuchung des Sonnenübels über es kam. Sie glich einer Landschaft, die niemals von Blutvergießen und Haß hätte verwüstet werden dürfen, die Besseres verdient hatte. Aber das Land hatte Männer und Frauen – wie wenige es auch sein mochten –, die für sein Heil kämpften; es hatte immer solche Menschen dort gegeben. Und Linden gehörte zu ihnen. Doch im Kampf gegen das eigene innere Sonnenübel besaß sie niemanden als sich selbst.
Vor dem Bug der ›Sternfahrers Schatz‹ dehnte sich die Nacht. Nach einer Mahlzeit und einem Becher mit verdünntem Diamondraught versuchte Covenant, sich Ruhe zu gönnen. Er streckte sich auf seinem Lager aus, ließ die See von einer zur anderen Seite schwappen und stellte sich vor, er würde in einer Wiege geschaukelt. Unstet döste er in wirklichen Schlaf hinüber. Doch fast augenblicklich gestaltete sein Schlummer sich unangenehm. Er befand sich wieder in der Sandbastei in der Wesirshöh, war angeschnallt, um allen möglichen Martern unterzogen zu werden, konnte sich nicht regen. Klingen und Feuer hatte er ungeschoren widerstanden; nun jedoch schleuderte man ihn ins eigene Innere hinab, warf ihn mit aller Wucht der höchsten Gier gegen die harte Mauer seines Schicksals. Damals war er von Hergrom gerettet worden; doch nun war Hergrom tot. Niemand vermochte ihn vor dem Anprall, der ihn
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