Der Ring der Kraft - Covenant 06
Verlauf des Tages an die Reparatur des Fockmasts machte. Doch das war nicht alles, was er zu sagen hatte. »Riesenfreund«, fügte er mit gedämpfter Stimme hinzu, »sei bedankt dafür, daß du mir die Gelegenheit hast zuteil werden lassen, der Dromond diesen Dienst zu erweisen.«
Im Glanz des Sonnenlichts und des Widerscheins, der vom Eis ausging, wandte er sich ab. Indem er verhalten über die beifälligen Scherze und Lobesäußerungen der Mannschaft lachte, hakte er sich bei der Ersten ein und verließ das Vordeck wie ein betrunkener Held. Trotz seiner verkrüppelten Gestalt schien er so groß wie jeder andere Riese zu sein.
Der Anblick erfüllte Covenant so mit Frohsinn und Rührung, daß ihm Tränen in den Augen brannten. Dankbarkeit verminderte seine innere Anspannung. Pechnase hatte seine Befürchtungen und seine Erbitterung als unnötig erwiesen. Während Derbhand und die Matrosen wieder die Arbeit aufnahmen, das Zugseil des Flaschenzugs neu verlegten, um die Rah an ihren Platz droben am Mast zu hieven, entfernte sich Covenant, um Linden zu suchen. Er wollte ihr zeigen, was die Riesen zustande gebracht hatten. Und sich für seine Grobheit entschuldigen.
Er fand sie fast unverzüglich. Sie war in der Kombüse, schlief wie eine Waise auf ihrer Lagerstatt. Träume ließen sie im Schlaf mit der ernsten Konzentration eines Kindes die Stirn runzeln; doch sie erregte nicht den Eindruck, als würde sie in Kürze aufwachen. Sie mußte sich noch immer von der verheerenden Eisigkeit des Seelenbeißers erholen. Covenant störte ihren Schlummer nicht. Die Wärme der Kombüse gemahnte ihn an die eigene Durchfrorenheit und Mattigkeit. Er streckte sich auf seinem Lager aus, beabsichtigte für eine Weile zu ruhen, um danach an Deck zurückzugehen und den Riesen weiter zuzuschauen. Doch sobald er die Augen schloß, entfaltete seine Müdigkeit ihr ganzes Ausmaß und überwältigte ihn.
Später, in einer Phase des Halbbewußtseins, war ihm, als höre er Gesang. Zuerst waren die Lieder Weisen der Fröhlichkeit und des Rühmens, des Bestehens wider die Härten der See sowie der sicheren Rückkunft in der Heimat. Nach einiger Zeit jedoch begannen die Melodien kummervoll zu klingen, die Lieder galten dem Abschied, verlorenen Schiffen und verschollenen Kameraden; und ein Laut durchzog sie, der dem Knistern von Flammen glich, der Marter eines Caamora , der Weissagung von Schicksal und Verhängnis. Einmal hatte sich Covenant – im Hafen von Coercri – mit einem Caamora abgegeben. Aber jenes Feuer war nicht kraftvoll genug gewesen, um auch ihn zu erfassen; in der Geisternacht der Qual all der Entwurzelten hatte er sie allesamt erlöst, nur sich selbst nicht. Und während er nun zurück ins Reich der Träume sank, kam ihm der Gedanke, daß es dazu womöglich eines Feuers von absoluterem Charakter bedurfte, einer gründlicheren und destruktiveren Glut. Er wußte, wo er ein derartiges Feuer finden konnte. Er schlief wie jemand, der sich dem zu stellen fürchtet, was bevorstand.
Doch als er zu guter Letzt erwachte, war der Gedanke aus seinem Bewußtsein verschwunden.
Die geschäftige Art und Weise, wie Seesoße und Herdglut ihre Arbeit verrichteten, deutete an, daß ein neuer Tag angebrochen sein mußte. Benommen vom Schlaf, setzte Covenant sich mühsam auf, blinzelte hinüber zu Lindens Lager und sah, es war leer. Sie und Nebelhorn befanden sich nicht in der Kombüse. Dagegen stand Cail nahebei so gleichmütig, als wäre Ungeduld ihm unbekannt. »Du erhebst dich zur rechten Zeit, Ur-Lord«, sagte der Haruchai, als Covenants Blick ihn traf. »Die Nacht ist vorbei. Die mit dir ziehen werden, bereiten sich zum Aufbruch vor.«
Eine Regung von Beklommenheit packte Covenant. Bereiten sich vor , dachte er. Die Menschen in seiner Umgebung taten in seinem Namen alles, was in ihrer Macht lag; aber er war nie bereit. Er raffte sich hoch, nahm die Schüssel mit Brei entgegen, die Herdglut ihm anbot, und aß soviel, wie er in seiner Hast hinunterschlingen konnte. Dann stapfte er zu der Tür, die Cail ihm aufhielt, und trat in den klaren Morgen hinaus.
Erneut stachen ihm Sonnenschein und der Glanz der Eismassen in die Augen, doch er zwang sie dazu, das Geglitzer zu durchdringen. Nach einem Blick zum neuen Fockmast suchte er sich vorsichtig einen Weg über das vereiste Achterdeck zu den an der Backbordreling versammelten Riesen.
Man begrüßte ihn mit Rufen. Die Mannschaft wich beiseite, ließ ihn in ihre Mitte. Im nächsten Moment
Weitere Kostenlose Bücher