Der Ring der Kraft - Covenant 06
Gift von solcher Stärke, daß es seinem Delirium alles subsumierte. Dies Feuer besaß höchste Bedeutung und war verführerisch – und für ihn so notwendig wie Blut. Nie würde er dazu imstande sein, darauf zu verzichten.
Doch solche Träume führten ihn zurück an Stätten, von denen er nichts mehr wissen mochte; zu jenem Schrei, der ihm fast das Herz herausgerissen hatte, als Linden ihm die Wahrheit über die Schlange des Weltendes und das Gift mitteilte. Und dem anderen Feuer, das an den Wurzeln seiner Nöte verborgen war – dem Caamora , das er nie gefunden hatte, obwohl seine Seele davon abhing. Wiederholt schrak er verängstigt von der Schwelle zu tatsächlichem Schlaf zurück. Beim letzten Mal entdeckte er zu seiner Überraschung, daß es im Norden nicht länger bloß leere Weite zu sehen gab. Der Weg, den die Erste eingeschlagen hatte, führte auf einen Höhenrücken fürchterlicher Eisklötze zu. An den Himmel emporgetürmt, erstreckten sie sich im Osten und Westen bis zum Horizont. Obwohl die Sonne zu sinken anfing und tief im Süden stand, blendete sie Covenant nicht mehr, sondern schimmerte mit vollem Glanz und leicht rosa auf dem Höhenzug, verlieh dem Eis ein Aussehen, als wäre es unzertrümmerbar wie ein Gletscher.
Nun wandte sich die Erste wieder westwärts, blieb möglichst nah unterhalb des Höhenkamms, ohne die Zielstrebigkeit ihrer Richtungsweisung zu mindern. Aber auf ihrem Weg lagen jetzt Findlinge und andere Felsbrocken, wo sie durch die Gewalten, die das Eis verworfen hatten, hingeschleudert oder -gerollt worden waren, ragten auf wie Menhire. Indem die Schwierigkeiten des Geländes wuchsen, mußte die Erste das Tempo herabsetzen. Nichtsdestotrotz war erreicht, was sie beabsichtigt hatte. Die Eisfläche vor dem Höhenzug erregte nicht den Eindruck, als könnte sie unter den Gefährten brechen oder zerbröckeln.
Während die Sonne in unheilvollem Zinnoberrot im Westen unterging, lagerte die Gruppe sich zur Nacht. Pechnase ließ sich aufs Eis sacken, saß mit in die Hände gestütztem Kopf da, zu müde, um nur zu sprechen. Mit steifen Gliedern stiegen Covenant und Linden von den Schlitten, spazierten hin und her, massierten sich die Arme und stampften mit den Füßen, während Nebelhorn und Blankehans ein Lager herrichteten. Blankehans packte Bahnen von stark geteertem Segeltuch aus, die als Unterlage dienten, breitete dann Decken darüber. Nebelhorn entlud den von Linden benutzten Schlitten und brachte ein großes, flaches Viereck aus Stein, das dazu diente, darauf ein Feuer zu entzünden, so daß das Brennholz durchs Schmelzen von Eis nicht naß werden konnte. Ohne sich an jemand Besonderes in ihrer Begleitung zu wenden, bemerkte die Erste, daß sie nach ihrer Schätzung inzwischen mehr als zwanzig Längen zurückgelegt hätten. Danach bewahrte sie Schweigen.
Als Nebelhorn ein munteres Flämmchen entfacht hatte, rappelte Pechnase sich mühsam auf, rieb sich den Reif aus dem Gesicht und machte sich ans Kochen. Während dieser Tätigkeit murmelte er undeutlich vor sich hin, als bedürfe er des Klangs einer Stimme – zumindest des Klangs der eigenen, wenn schon keiner anderen –, um nicht den Mut zu verlieren. Binnen kurzem hatte er für die Gefährten eine dicke Suppe zubereitet. Aber nach wie vor bedrückte die Blässe der Eiswüste die Freunde, und niemand sagte etwas.
Nach dem Essen legte sich Pechnase schlafen, umhüllte sich fest mit Decken. Die Erste kauerte ernst am Feuer und spielte mit dem Reisig, als versuche sie, ihre Entschlüsse nicht noch einmal zu überdenken. Unverändert fest dazu entschlossen, einem Haruchai an Hingabe nicht nachzustehen, übernahm Nebelhorn mit Cail das Wachehalten. Blankehans starrte nur geradeaus, erwiderte niemandes Blick. Die Schwere seiner Brauen verbarg seine Augen, und sein Gesicht wirkte strapaziert und verhärmt.
Linden stapfte angespannt neben dem Feuer auf und ab, als verspüre sie das Bedürfnis, mit jemandem zu reden. Doch Covenant fühlte sich zu sehr von seinem inneren Sehnen nach weißem Feuer beansprucht. Die Anstrengung, die er aufbieten mußte, um diese Sehnsucht zu leugnen, ließ ihm für nichts anderes noch Spielraum. Das Schweigen nahm eine solche Kälte und Einsamkeit wie das Eis an. Nach einer Weile folgte Covenant dem Beispiel Pechnases, bemächtigte sich der ihm zugeteilten Decken, hüllte sich hinein und bettete sich auf die Segeltuchunterlage.
Er dachte, er würde schlafen können, und wenn nur dank der einschläfernden
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