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Der Ring des Sarazenen

Der Ring des Sarazenen

Titel: Der Ring des Sarazenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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mehr, leise zu sein, sondern trat bewusst laut auf und rief schließlich nach den Wachen. Es dauerte einen Moment, dann sah sie, wie sich eine verschlafene Gestalt in einer Wandnische erhob und einen unsicher tapsenden Schritt in ihre Richtung machte. Als das Gesicht des Mannes ins Licht der Fackel geriet, fuhr Robin leicht zusammen. Es war der grobschlächtige Kerl, der am Nachmittag die Sklaven auf die Holzbühne hinaufgezerrt hatte. Warum hatte nicht dieser Mann oben vor ihrer Tür Wache gehalten?
    »Was willst du?«, murmelte er verschlafen. Er versuchte, ein Gähnen zu unterdrücken, und fuhr sich mit dem Handrücken der Linken über die Augen. Die andere Hand lag auf dem Griff der Peitsche, die aus seinem Gürtel ragte.
    »Ich bringe dir Wein«, sagte Robin. »Omar schickt mich. Er sagt, du hättest heute gute Arbeit geleistet und dir eine besondere Belohnung verdient.«
    Noch bevor sie die Worte ganz ausgesprochen hatte, merkte Robin, dass sie im Begriff war, einen großen Fehler zu machen. Der Wächter blieb nicht nur misstrauisch, sein Misstrauen verstärkte sich sichtlich. Er blinzelte ein paar Mal und wirkte von einem Moment zum anderen hellwach. Wie konnte sie nur diese törichten Worte aussprechen? Wie dumm von ihr: Moslems war der Verzehr von Alkohol strengstens verboten, was sie nicht daran hinderte, ihm trotzdem hin und wieder zuzusprechen. Doch Omar war gewiss kein Herr, der für seine Großzügigkeit bekannt war, und ein Geschenk von ihm musste den Verdacht eines jeden Wachpostens wecken. Robin verfluchte sich in Gedanken für ihre Unachtsamkeit. Sie erinnerte sich an Haruns Worte, dass jeder eine besondere Gabe besaß. Ihre besondere Gabe war es, sich in Schwierigkeiten zu bringen.
    Aber noch war nicht alles verloren. Während der Krieger näher kam, schloss sich seine linke Hand fester um den Griff der Peitsche. Wie sein Kamerad oben auch hielt er es nicht für nötig, Schild und Speer aufzunehmen. Sicherlich sah er in ihr keine Gefahr.
    »Setz deinen Krug ab!«, verlangte er.
    Robin nickte gehorsam und nahm den Krug mit einer Eleganz und Selbstverständlichkeit vom Kopf, die sie fast selbst überraschte. Sie hatte vorgehabt, dem Krieger schlichtweg den Tonkrug über den Schädel zu schlagen, was ihn mit einiger Wahrscheinlichkeit betäuben, wenn nicht sogar töten würde. Einen kurzen Moment lang überlegte sie, einen ähnlichen Angriff wie im Flur vor ihrem Zimmer zu versuchen, entschied sich aber dann dagegen. Sie hatte nicht mehr den Vorteil vollkommener Überraschung auf ihrer Seite. Und nachdem, was gerade geschehen war, konnte sie keinen zweiten Angriff auf die gleiche unerbittliche Art führen. Nicht jetzt. Vielleicht nie wieder.
    Als der Krieger heran war, senkte sie demütig den Blick und trat einen halben Schritt zur Seite, wie um ihm Platz zu machen, damit er sich nach dem Krug bücken konnte. Der Mann beäugte sie misstrauisch, beugte sich dann aber neugierig vor und runzelte die Stirn. »Das ist kein…«
    Bevor er das Wort Wein aussprechen konnte, machte Robin einen halben Schritt an ihm vorbei, vollführte eine blitzartige halbe Drehung und trat ihm mit aller Gewalt in die Kniekehle.
    Der Krieger stieß ein überraschtes Keuchen aus, fiel auf das Knie und zerschlug dabei den Krug. Statt gänzlich zu Boden zu gehen, wie sie es eigentlich erwartet hatte, stemmte er sich mit einer unerwartet raschen Bewegung wieder in die Höhe und fuhr herum. Und genau in Robins Hieb hinein.
    Noch während der Krieger herumgefahren war, hatte sie begriffen, dass Rücksicht hier fehl am Platze war. Dieser Mann war ein Koloss, doppelt so schwer wie sie, vermutlich fünfmal so stark, und wie sie mit eigenen Augen gesehen hatte, ohne die geringsten Skrupel, einer Frau Schmerzen zuzufügen. So hatte sie diesen Hieb mit aller Kraft ausgeführt: Blitzschnell stieß sie mit dem Handballen nach oben gegen sein Kinn und normalerweise hätte sie damit auch einen sehr viel stärkeren Gegner zu Fall gebracht.
    Normalerweise. Nicht jetzt. Der Krieger torkelte mit einem wütenden Aufschrei zurück und kämpfte einen Moment mit wild rudernden Armen um sein Gleichgewicht. Aber er war nur zornig, nicht wirklich angeschlagen, und Robin wurde voller kaltem Entsetzen klar, dass alle Tricks und Finten, die Salim ihr beigebracht hatte, nicht ausreichen würden, um diesen Gegner zu überwinden. Und das Funkeln in seinen Augen war die reine Mordlust. Er würde es nicht dabei bewenden lassen, sie zu packen und festzuhalten,

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