Der Ring des Sarazenen
Hashashin spricht«, sagte Omar. »Das ist ihre stärkste Waffe, weißt du? Ich will nicht behaupten, dass sie ungefährlich sind, aber viel gefährlicher als ihre Schwerter und ihr Gift ist die Furcht, die sie in die Herzen der Menschen säen.«
»Und wer genau sind sie nun?«
»Das ist ein großes Geheimnis«, antwortete Omar nachdenklich.
»Manche halten sie für Geister, die nur die Gestalten von Menschen angenommen haben, um sich zu tarnen, andere für eine Bande von Meuchelmördern, die sich in den Bergen verkrochen hat und dort ihre Intrigen spinnt. Was immer man jedoch über sie erzählt, letzten Endes sind sie Menschen, keine Dschinn. Sie sind gefährlich, aber nicht unbesiegbar. Asef hat versucht, mich einzuschüchtern, und beinahe wäre ihm das auch gelungen. Ich bin dir dankbar, dass du mich letzten Endes davon abgehalten hast, mich der Furcht zu beugen, mit der er mich erpressen wollte.«
»Und wenn Sheik Sinan und seine Männer wirklich kommen?« Omar schüttelte - und diesmal wirkte er wirklich überzeugt - den Kopf. »Raschid ist kein Narr«, sagte er. »Er ist ein mächtiger Mann, vor dem selbst Könige und Heerführer zittern, aber er ist kein Dummkopf. Er wird keinen Krieg vom Zaun brechen, um eines Mädchens willen, das er gar nicht kennt… Das ist doch so, oder?«
»Ich weiß nicht genau, warum Ihr das fragt«, sagte Robin.
»Dein Ring.«
Robin stellte vorsichtig den Becher zu Boden, um sich den Ring vom Finger zu streifen, aber Omar schüttelte nur den Kopf.
»Ich habe ihn mir lange genug angesehen«, sagte er. »Mich interessiert nicht, wie er aussieht oder welchen Wert er hat. Mich interessiert, von wem du ihn hast.«
»Von einem Freund«, antwortete Robin.
»Das hast du nun schon mehrmals gesagt, und ich glaube es dir«, sagte Omar. »Aber wer war dieser Freund? Was hat er gesagt, als er ihn dir gegeben hat, und warum? Wie war sein Name?«
»Salim«, antwortete Robin.
Noch während sie den Namen aussprach, kam es ihr wie ein Verrat vor, als gäbe sie damit das letzte Geheimnis preis, das sie und Salim noch vor dem Rest der Welt und vor allem vor Omar Khalid gehabt hatten.
Omar dachte einen Moment lang angestrengt über diesen Namen nach, bevor er erneut ein Kopfschütteln andeutete. Nachdenklich trank er einen Schluck Wein. »Nun, das ist ein Allerweltsname, hierzulande. Wer war er? Wo hast du ihn getroffen, und warum hat er dir diesen Ring gegeben?«
»Er war der Diener eines… Edelmannes.«
»Edelmann?« Omar war das winzige Stocken in ihren Worten nicht entgangen. »Was für ein Edelmann?«
»Ein Ritter«, antwortete Robin ausweichend. Sie sah Omar nicht an, denn sie fürchtete, dass er in ihren Augen lesen konnte. »Salim war sein Diener, so, wie ich seine… Dienerin. Als Abbé mich fand, da war ich sehr, sehr krank.«
»Krank?«
»Verletzt.« Robin hob die Hand und legte die Finger auf die dünne, aber deutlich sichtbare Narbe an ihrer Kehle. »Bruder Abbé und vor allem Salim waren es, die mich gesund gepflegt haben.«
»Dann war es die Wahrheit, als du heute Nachmittag behauptet hast, du seist nur ein einfaches Bauernmädchen.« Omar nippte wieder an seinem Wein. Seine Worte hatten nicht wie eine Frage geklungen, sondern wie die Bestätigung eines lang gehegten Verdachts. Er klang auch nicht zornig. Nicht einmal wirklich enttäuscht.
Robin nickte nur. »Abbé hat mich gesund gepflegt und zu sich genommen. Er hat sich um mich gekümmert wie um eine Tochter…«
»Und dieser Salim zweifellos wie um eine Schwester«, sagte Omar spöttisch.
»Ja«, antwortete Robin. »Wenigstens am Anfang. Aber später…«
»Ich kann mir denken, wie die Geschichte weitergeht.« Omar seufzte. »Später habt ihr euch ineinander verliebt. Du kannst es ruhig zugeben. Auch ich bin aus Fleisch und Blut und ich habe Augen im Kopf. Dieser Salim müsste schon ein Dummkopf gewesen sein, wenn er nur die Schwester in dir gesehen hätte. Weißt du, wer er war?«
»Nein«, antwortete Robin wahrheitsgemäß. Noch vor wenigen Tagen hätte sie voller Überzeugung behauptet, sie wüsste es, aber mittlerweile… Nein. Sie müsste nur die Augen schließen, um Salims Gesicht vor sich zu sehen, seine Stimme zu hören und die Berührung seiner Hände zu spüren… Aber jetzt… Wenn sie ganz ehrlich zu sich selbst war, dann müsste sie zugeben, dass sie nicht wusste, wer er war. Sie konnte nicht einmal sagen, er habe sie belogen. Er hatte einfach kaum über sich geredet. Über Outremer, die Wüsten
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