Der Ring des Sarazenen
Hälfte eines Kurzbogens und die Schäfte zahlreicher Pfeile ragten.
Mussa dirigierte seine Schar mit knappen Gesten, die sofort und diszipliniert befolgt wurden. Ihre erste Einschätzung schien richtig gewesen zu sein, dachte Robin beunruhigt. Das war eine Armee. Eine kleine, aber zweifellos gut ausgebildete Armee. Sie hoffte, dass Harun al Dhin sich irrte und Omar wusste, was er tat.
»Los jetzt«, sagte Harun.
Robin sah fragend zu ihm hoch. »Wo sind die Pferde?«
»Dort!« Harun grinste und deutete auf die gesattelten Kamele. »Sie sind nur ein bisschen größer als die, die du gewohnt bist. Und zweifellos auch hässlicher.«
»Kamele?«, wiederholte Robin verwirrt. »Aber ich dachte, wir wären auf der Flucht.«
»Und?« Harun schien nicht ganz zu begreifen, was sie damit sagen wollte.
»Warum nehmen wir dann keine Pferde?«, wunderte sie sich. »Diese Tiere sind…«
»Lass dich nicht von ihrem Äußeren täuschen, Mädchen«, unterbrach sie Harun. »Glaub mir, ein solches Tier läuft schneller als jedes Pferd.« Er runzelte die Stirn. »Dennoch hast du Recht. Ich wundere mich auch, dass…« Er brach ab. Ein nachdenklicher, aber auch ein wenig besorgter Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. Mit seiner schwer beringten Hand fuhr er sich durch den geflochtenen Bart. Als er nach einer Weile weitersprach, waren seine Worte ein erschrockenes Flüstern, das kaum Robin, sondern vielmehr sich selbst galt. »Bei Allah, ich glaube, ich weiß, was er vorhat.
Dieser Narr. Er hat Mut, das muss man ihm lassen, aber er ist dennoch ein Narr.«
»Wovon sprecht Ihr?«, fragte Robin alarmiert.
Diesmal jedoch antwortete Harun nicht. Er gab sich nur einen leichten Ruck, versuchte, so etwas wie ein beruhigendes Lächeln auf sein Gesicht zu zwingen, und zuckte schließlich mit den Achseln; eine Bewegung, die seine gewaltige Körpermasse erzittern ließ wie einen halb haushohen Berg aus Pudding. »Komm«, sagte er nur.
Von Mussas Männern mit Schlägen auf das Hinterteil und leichten Stockhieben dazu angetrieben, hatten sich mittlerweile etliche der Kamele zu Boden sinken lassen; dabei falteten sie ihre Beine auf eine kompliziert aussehende Art unter dem Körper zusammen. Da es keine besondere Sitzordnung zu geben schien, steuerten Harun, Robin und ihre beiden Begleiterinnen die erstbesten Tiere an. Nemeth und Saila, die sich den Platz auf dem Rücken eines Kameles teilten, kletterten mit solcher Selbstverständlichkeit in den sonderbar geformten Sattel, dass Robins Unbehagen ein wenig schwand. Auch der scheinbar so schwerfällig anmutende Harun schwang seine gut drei Zentner mit einer Eleganz auf den Rücken des Kamels, dass in Robin ein leises Gefühl von Neid erwachte. Also zögerte sie nicht weiter, ihrem Beispiel zu folgen. Nach dem, was sie gerade gesehen hatte, konnte es so schwer nicht sein.
Sie irrte - nicht zum ersten Mal, seit sie in dieses Land voller fremdartiger Menschen und noch fremdartigerer Tiere gekommen war. Sie griff nach dem Sattelhorn und schwang sich mit einer kraftvollen Bewegung auf das Kamel, schon allein, weil sie spürte, wie aufmerksam Nemeth sie beobachtete. Allerdings hatte sie nicht damit gerechnet, dass das Tier mit einem Ruck das Hinterteil heben würde. Dabei wurde sie in einem Salto durch die Luft katapultiert und landete unter dem schadenfrohen Gelächter der Umstehenden auf dem harten Stein, mit dem der Hof gepflastert war.
Der Aufprall trieb ihr die Luft aus den Lungen und ihr Hinterkopf schlug so hart auf dem Boden auf, dass sie buchstäblich Sterne sah und sie vermutlich nur der Turban vor einer wirklichen Verletzung bewahrte. Für einen Moment wurde ihr schwarz vor Augen. Als sich die wirbelnden Nebelschleier wieder verzogen, schien das spöttische Gelächter ringsum noch lauter geworden zu sein.
Robin blinzelte. Im letzten Moment unterdrückte sie den Impuls, die Hand zu heben, um sich die Tränen wegzuwischen, die ihr der Schmerz in die Augen getrieben hatte, und stemmte sich wütend in eine halbwegs sitzende Position hoch. Sie spürte, dass ihr Turban verrutscht war. Hastig rückte sie ihn wieder gerade und überzeugte sich vom sicheren Sitz ihres Schleiers, bevor sie einen Blick in die Runde warf.
Sofort wünschte sie sich, sie hätte es nicht getan. Denn wohin sie auch sah, strahlten sie lachende, schadenfrohe Gesichter an. Selbst Omar, dessen Kamel sich bereits erhoben hatte, sodass er aus gut zwei Metern Höhe auf sie herabblickte, lächelte spöttisch. Einzig Harun
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