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Der Ring des Sarazenen

Der Ring des Sarazenen

Titel: Der Ring des Sarazenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Reisende, sondern auch einen Saal gab, in dem Essen gereicht wurde. Damit konnte man sie heute allerdings nicht mehr locken.
    »Allah straft mich wirklich hart«, jammerte Harun. »Oh, ich könnte jetzt in Kemals Küche speisen und mir die größten Köstlichkeiten munden lassen oder auf einem Diwan liegen und mir von Aisha Luft zufächeln lassen. Stattdessen muss ich das hier ertragen.«
    Robin spürte, wie sich fast gegen ihren Willen ein Lächeln auf ihre Lippen schlich. Haruns Miene passte genau zu seinen Worten und noch besser zum weinerlichen Klang seiner Stimme, aber es fiel ihr immer schwerer, ihm die Rolle des Narren wirklich abzukaufen. Sicherlich war er nicht als Held geboren und würde auch nie einer werden. Aber sie begann allmählich zu argwöhnen, dass er sich in der Rolle des Dummkopfes gefiel und sich tief in seinem Inneren mindestens so sehr über die amüsierte, die glaubten, über ihn lachen zu müssen.
    Davon abgesehen konnte sie Haruns Entsetzen nur zu gut verstehen. Der Hof war hoffnungslos überfüllt. Genau in der Mitte der gepflasterten Fläche gab es ein langes, rechteckiges Wasserbecken, an dem Kamele, Pferde und Esel getränkt werden konnten, und Robin versuchte erst gar nicht, die Tiere zu zählen, die hier qualvoll zusammengedrängt worden waren. Ihr fiel allerdings auch auf, wie wenig Lastesel und Pferde unter ihnen waren. Der allergrößte Teil der Tiere in dem überfüllten Hof waren Kamele, deren Vorderbeine mit einer weiten Fessel zusammengebunden worden waren, sodass sie sich nur noch stolpernd bewegen konnten.
    Dann wurde ihr Blick von etwas gefangen genommen, das sie zunächst verblüffte: Zwei Wächter mit Fackeln in der Hand führten nur wenige Schritte von ihr entfernt eine Gruppe fast nackter Sklaven vorbei, die vollkommen schwarz und an Ketten gebunden waren. Sie hatte davon gehört, dass es Menschen gab, deren Haut so dunkel wie Kaminruß war, aber dies waren die ersten Schwarzen, die sie wirklich zu Gesicht bekam, - und so wie es aussah, wurden sie nicht besser als wilde Tiere gehalten.
    Omar Khalid war offensichtlich bereits erwartet worden. Ein kleiner, drahtiger Mann mit einer schiefen und offenbar schon mehrmals gebrochenen Nase, in der hierzulande üblichen weiten Hose und einem dunklen Kaftan sowie mit einem Turban auf dem Kopf, eilte auf sie zu. In seinem Gürtel aus rotem Stoff - der einzige Farbtupfer auf seiner ansonsten in der Dunkelheit eher zu erahnenden als wirklich zu erkennenden Gestalt - steckten ein Krummdolch und ein Schwert mit langer, gerader Klinge, von deren Griff eine abgewetzte Lederschlaufe hing. Als Omar den Fremden heraneilen hörte, drehte er sich herum und ein Schatten huschte über sein Gesicht. Er und der andere waren offensichtlich keine Freunde.
    Trotzdem ging der Sklavenhändler dem kleinwüchsigen Mann entgegen und begann, von heftigem Gestikulieren begleitet, mit ihm zu reden.
    »Wer ist das?«, fragte Robin.
    Die Frage hatte niemand Besonderem gegolten, aber Harun beantwortete sie trotzdem. »Mussa Ag Amastan«, sagte er. »Eine Ratte, wenn du mich fragst, Christenmädchen. Besser, du drehst ihm niemals den Rücken zu. Und einen anderen Körperteil auch nicht.«
    Robin dachte ein wenig verwirrt über diese letzte Bemerkung nach, stellte aber keine weitere Frage mehr, sondern versuchte sich unauffällig Omar und seinem ungleichen Gesprächspartner zu nähern. Sie
    hatte den Gedanken an eine Flucht immer noch nicht gänzlich aufgegeben. Jede noch so zufällig aufgeschnappte Information mochte sich später als wichtig erweisen. Omar schien derlei Plänen jedoch vorgebaut zu haben: Sie hatte erst wenige Schritte zurückgelegt, als ihr einer seiner Krieger den Weg vertrat und entschieden den Kopf schüttelte. Enttäuscht wandte sich Robin um und kehrte zu Harun, Nemeth und Saila zurück.
    »Was bedeutet das?«, fragte Nemeth.
    »Ich weiß es nicht genau«, gestand sie. »Aber ich glaube, wir verlassen die Stadt.«
    »Gehen wir zurück nach Hause?«, fragte Nemeth.
    Robin schüttelte traurig den Kopf. »Ich fürchte, nein. Aber da, wo wir hingehen, wird es dir besser gefallen als in Omars Keller, das verspreche ich dir.«
    »Du solltest nichts versprechen, was du nicht halten kannst«, warnte Harun. »Nichts schmerzt so sehr wie Hoffnung, die nicht eingelöst wird.«
    »Ich werde es halten«, sagte Robin. Die Worte klangen feierlich - und waren auch so gemeint; sie waren ein Gelöbnis, das sie viel mehr sich selbst als Harun oder Nemeth

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