Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ring des Sarazenen

Der Ring des Sarazenen

Titel: Der Ring des Sarazenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
wirkte ein wenig besorgt.
    Robin stand mit einer ärgerlichen Bewegung auf, doch das Tier hatte sich bereits wieder niedergelassen. In diesem Moment schaute sie direkt in das Gesicht des Kamels: Es hatte den langen Hals gedreht, um sie anzusehen. Vermutlich lag es nur an seiner ungewohnten, hässlichen Physiognomie, aber Robin hätte schwören können, dass das Vieh nicht nur so aussah, sondern sie tatsächlich schadenfroh angrinste. Wütend wandte sie sich um. Hoch aufgerichtet und so stolz, wie es ihr heftig pochendes Bein zuließ, umkreiste sie das Kamel und kletterte erneut - diesmal aber etwas weniger schwungvollin den Sattel.
    Irgendjemand schnippte mit den Fingern, und das Tier erhob sich zum zweiten Mal. Robin war vorgewarnt und klammerte sich mit beiden Händen ans Sattelhorn, während sie die Schenkel mit aller Kraft gegen die weit ausladenden Flanken des haarigen Ungetüms presste. So lief sie nicht Gefahr, erneut vom Rücken des Kameles geschleudert zu werden, als es sich auf seine unbeholfen anmutende, dennoch zügige Art aufrichtete.
    Kaum aber hatte das Tier seine Hinterbeine durchgestreckt, stand es auch schon mit den Vorderbeinen auf, und jetzt musste Robin wirklich mit aller Gewalt darum kämpfen, nicht auf der anderen Seite herunterzufallen. Irgendwie gelang es ihr, das Schlimmste zu vermeiden. Aber offensichtlich machte sie keine besonders gute Figur dabei, denn das schadenfrohe Gelächter der Männer ringsherum steigerte sich zu einem wahren Chor, bis Omar schließlich ärgerlich in die Hände klatschte und mit einem scharfen Befehl für Ruhe sorgte.
    Robin atmete erleichtert auf und entspannte ihre Schenkel ein wenig, während sie sich weiter mit aller Kraft ans Sattelhorn klammerte. Es war das erste Mal in ihrem Leben, dass sie auf dem Rücken eines Kamels saß, und wenn es nach ihr ging, würde es auch das letzte Mal bleiben. Sie traute dieser hässlichen Kreatur nicht so weit, wie sie spucken konnte.
    »Nun, wo wir noch für ein wenig Erheiterung gesorgt haben, können wir ja vielleicht aufbrechen«, sagte Omar Khalid spöttisch. »Das heißt natürlich nur, wenn es in Eure Pläne passt, holde Prinzessin.«
    Robin schenkte ihm einen giftigen Blick. Dass Omar sie Pri n zessin nannte, war ziemlich leichtsinnig. Ihre Verkleidung diente schließlich keinem anderen Zweck als dem, dass sie jeder, der sie nicht schon aus dem Haus des Sklavenhändlers kannte, für einen Mann hielt. Omar musste Mussa und seiner Söldnerarmee entweder mehr Vertrauen schenken, als sie vermutet hatte, oder er war wirklich sehr nervös.
    Hinter ihnen erhob sich ein dumpfes, in der Nacht lang nachhallendes Knarren, mit dem sich das Öffnen des großen Tores ankündigte. Augenblicklich ergriff die Kamele eine allgemeine Unruhe, so als spürten sie, dass der Moment des Aufbruchs gekommen war. Ohne ihr Zutun drehte sich Robins Reittier herum. Sie musste sich mit aller Kraft am Sattel festklammern, als die gesamte Kreatur zuerst nach links, dann nach rechts und dann wieder nach links schwankte, und das so heftig, dass sie einen erneuten Sturz befürchtete.
    Harun lenkte sein eigenes Tier mit einer so selbstverständlichen Bewegung neben das ihre, dass Robin mehr als nur einen Anflug von Neid empfand. »Du solltest das linke Bein um das Sattelhorn anwinkeln und das rechte ausgestreckt auf seinen Hals setzen«, empfahl er. Seine Körpermasse geriet wabbelnd in Bewegung, als er es ihr vormachte. »Siehst du? Es sieht vielleicht seltsam aus, ist aber für Anfänger die sicherste Art, ein Kamel zu reiten.«
    Harun hatte Recht. Es sah seltsam aus, aber es war die einzig sichere Art, sich auf diesem hin und her schwankenden Etwas zu halten. Nicht zuletzt ihr pochendes Bein und der dumpfe Schmerz in ihrem Hinterkopf machten ihr klar, dass jetzt nicht der Moment für Stolz war.
    Und vielleicht nie wieder sein würde.

     
    16. K API T EL
     
    Unwillig blickte Robin zu dem Kamel hoch. Wozu hatte man eigentlich ein Reittier, wenn man die allermeiste Zeit zu Fuß ging? Und: Wozu hatte man ein Reittier, das eindeutig müheloser und ausdauernder zu Fuß ging als man selbst?
    Sie fand auf diese Frage so wenig eine Antwort wie in der vergangenen Nacht oder während des zurückliegenden Tages. Aber nicht zum ersten Mal drehte das Kamel, dessen Zügel sie hielt (oder sich daran festhielt, um überhaupt mit ihm Schritt zu halten), den Kopf und blickte aus seinen großen, wässrigen Augen auf sie herab. Flockiger Schaum tropfte von seinen

Weitere Kostenlose Bücher