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Der Ring des Sarazenen

Der Ring des Sarazenen

Titel: Der Ring des Sarazenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Einöde aus Hitze, Wüstensand und Trockenheit.
    »Aber du hast gesagt, hier gäbe es kein Wasser«, murmelte Robin. Omar lächelte wissend. »Man kann dieses Wasser nicht trinken«, sagte er. »Außerdem weiß niemand davon. Niemand außer mir - und jetzt dir. Bewahre dieses Geheimnis für dich, wenn du nicht willst, dass dieser Ort seinen Zauber verliert.«
    Robin begriff, was er meinte. Diese winzige Quelle stellte vielleicht den größten Schatz dar, den es in diesem Teil der Welt geben mochte. Aber sie sah nur Spuren von Feuchtigkeit auf dem Stein, hier ein flüchtiges Glitzern, dort einen einsamen Tropfen, der sich mühsam seinen Weg nach unten suchte - vermutlich lieferte die Quelle nicht einmal genug Wasser, um einen einzigen Menschen am Leben zu erhalten. Sie war wertlos für eine Karawane und doch würde das Wissen um ihre Existenz den Untergang dieses Ortes bedeuten.
    »Das hier ist die Stelle, an der Melikae gestorben ist«, sagte Omar. Er hob die Fackel noch ein wenig höher, sodass das Licht sich auf dem Wasser im Inneren des Marmorbeckens brach. Es schimmerte dunkelrot.
    »Von der Stunde ihres Todes an ist das Wasser, das aus dem Felsen tropft, so rot wie Blut geworden«, fuhr Omar fort. »Der Garten ist verdorrt, nur dieser eine Busch ist stehen geblieben. Aber auch seine Blüten vergehen binnen einer Stunde, wenn du sie pflückst.«
    Tatsächlich war die Innenseite des einst weißen Marmors blutig rot verfärbt und an seinem Grund hatte sich rotes, schlammiges Wasser abgesetzt. Robin konnte einen eisigen Schauer nicht unterdrücken, der nichts mit der Nachtkälte und dem Wind zu tun hatte. Eine schwache Stimme in ihr versuchte ihr klar zu machen, dass es eine natürliche Erklärung für dieses Phänomen geben könnte, aber sie hörte nicht hin. In diesem Moment hatten Logik und Vernunft keinerlei Gewicht, war das Becken mit dem so unheimlich verfärbten Wasser für sie der Beweis, dass Omar die Wahrheit gesprochen hatte.
    Beklommen stellte sie sich vor, dass Melikae vielleicht genau an der Stelle gestorben war, an der sie jetzt gerade stand. Vor ihrem geistigen Auge entstanden die prachtvollen Gärten, die es hier einst gegeben haben musste. Das Wispern des Windes wurde endgültig zum Lachen spielender Kinder in der Ferne, der matte Schein der Lagerfeuer hinter ihr zum prachtvollen Glanz der Feste, die hier gefeiert worden waren - und dann wurde auch Omar zu Hisham, dem Mann, der alle Schätze der Welt aufgegeben hatte, um einen noch größeren zu erlangen.
    »Warum hast du mir diese Geschichte erzählt?«, fragte sie traurig.
    »Weißt du das denn wirklich nicht?«
    Natürlich wusste sie es. Gegen ihren Willen sah sie Omar plötzlich mit anderen Augen. »Und du…« Sie verbesserte sich. »Ihr… würdet wirklich alles für mich tun?«, fragte sie.
    Omar nickte. »Ich schwöre, dir keinen Wunsch abzuschlagen. Ganz egal, was es ist.«
    In seiner Stimme war mit einem Male ein Unterton von Trauer und Bitterkeit, den sie im ersten Moment nicht verstand. Erst als sie sich selbst ihre Bitte äußern hörte, wurde ihr klar, dass er ganz genau diese Worte erwartet hatte. »Dann wünsche ich mir, frei zu sein und gehen zu dürfen, wohin ich will.«
    Omar schwieg. Der Wind frischte auf und eine einzelne starke Böe ließ die Fackel in seiner Hand so stark flackern, dass sie zu erlöschen drohte. Das zuckende rote Licht ließ den Schmerz auf seinem Gesicht jäh hervortreten. Nach einem langen, endlos währenden inneren Kampf, so leise, dass sie seine Worte mehr erahnte als wirklich verstand, und ohne sie anzusehen, sagte er schließlich: »Ich will deinem Glück nicht im Wege stehen, selbst wenn ich mein eigenes Unglück damit besiegele.«
    »Ihr meint, ich… ich bin frei?«, fragte Robin ungläubig.
    »Ja«, stieß Omar hervor. Er kämpfte sichtlich um seine Fassung.
    »Aber noch nicht sofort. Es wäre dein sicherer Tod, wenn ich dich jetzt ziehen ließe. Doch sobald wir in Palmyra angekommen sind, werde ich dich mit allem ausstatten, damit du so Weiterreisen kannst, wie es einer Prinzessin geziemt, und wohin immer du willst. Ich… werde dich von einer Eskorte begleiten lassen, die dich in eine christliche Stadt geleitet.«
    Robin war sprachlos. Seine Worte hatten sie getroffen wie ein Schlag. Nach allem, was ihr in den letzten Tagen und Wochen widerfahren war, war das das Letzte, womit sie gerechnet hätte. Und doch spürte sie, dass Omar Khalid sein Angebot nicht vorgebracht hatte, um sie zu quälen

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