Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ring des Sarazenen

Der Ring des Sarazenen

Titel: Der Ring des Sarazenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Richtung man sah, der Anblick war überall gleich: Gewellte, regelmäßige Sanddünen von rötlich-brauner Farbe, aus denen nur hier und da ein verwitterter Felsen aus bröckelndem Stein ragte, und eine Sonne, die mit jedem Moment erbarmungsloser von einem wolkenlosen Himmel herabbrannte.
    Sie waren etwa zwei Stunden geritten, als Omar den Befehl gab, abzusteigen und die Tiere am Zügel zu nehmen. Innerlich seufzte Robin tief - der einzige Einwand, den sie sich gestattete. Das Gehen in diesem glühend heißen, fast staubfeinen Sand, der beständig unter ihren Füßen nachgab und zur Seite rutschte, war ungemein anstrengend. Man ermüdete auf diese Weise viel schneller, und der Sand war tückisch; manchmal geriet eine ganze Düne einfach ins Rutschen und floss wie Wasser unter den Füßen hinweg. Robin war durchaus nicht die Einzige, die gelegentlich um ihr Gleichgewicht kämpfen musste oder auch stürzte. Dennoch billigte sie Omars Entscheidung ohne jedes weitere Murren.
    Sie mussten die Kräfte der Kamele schonen, selbst wenn sie ihre eigenen dabei über die Maßen strapazierten. Omar hatte ihr zwar versichert, dass die Assassinen sie unmöglich bis hierher verfolgen würden, aber die Karawane musste dennoch so schnell wie möglich aus dieser Wüste heraus. Anderthalb Tage noch bis Palmyra, hatte er gesagt. Das klang nach wenig, aber anderthalb Tage in dieser Hölle, das waren anderthalb Ewigkeiten.
    Als die Sonne senkrecht am Himmel stand, legten sie eine kurze Rast ein. Sie hatten einen lang gezogenen Wüstenkamm erreicht, von dem aus der Blick ungehindert über viele Meilen in die ewig gleich bleibende Einöde reichte, und Robin wunderte sich ein bisschen, dass sie hier oben lagerten, statt unten im Dünental. Dann wurde ihr klar, dass es keinen Unterschied machte. Es gab ja nichts, um sich vor der Sonnenglut zu verstecken. Dort unten im Tal zwischen den Sanddünen war es genauso unerträglich heiß wie hier oben.
    Sie sah sich nach Nemeth um, weil sie nicht allein sein wollte, aber das Mädchen und seine Mutter hatten sich ein gutes Stück von ihr entfernt in den Sand gesetzt. Sie musste Sailas Gesicht nicht einmal sehen, um zu wissen, dass das kein Zufall war. Dass sie es sich mit der Araberin abermals verdorben hatte, schmerzte Robin. In den letzten Tagen hatte sich ein noch scheues, aber spürbares Vertrauensverhältnis zwischen ihnen entwickelt, das nun schon wieder zerstört war. Robin verstand nicht so recht, warum. Außerdem fragte sie sich, warum Omar ihr versichert hatte, er sei der Einzige, der das Geheimnis des Busches kannte, dieses lebendige Symbol der großen Liebe zwischen Melikae und Hisham - wo sogar Saila darum wusste.
    Fast ohne ihr Zutun griff Robins Hand unter ihr Kleid und zog die Rosenblüte hervor. Sie erstarrte.
    Die Rose war verwelkt. Der Stiel hatte sich braun verfärbt und war schrumpelig geworden, und die Blätter, am Morgen noch blutrot und von leuchtender Farbe, waren so ausgetrocknet und mürbe, dass sie unter ihren Fingern zerbrachen wie ganz feines Glas. Aber das war doch unmöglich! Selbst in dieser glühenden Wüste konnte eine Blume nicht so schnell vertrocknen und zu Staub zerfallen!
    Sie erinnerte sich wieder an Sailas Worte vom Morgen und schauderte. Sie weigerte sich immer noch, an die Dschinn, an Flüche und Geister zu glauben, aber die verwelkte Rosenblüte in ihrer Hand sprach eine ganze andere Sprache.
    »Was hast du da?« Robin fuhr erschrocken zusammen, als sie Haruns Stimme hörte, und schloss instinktiv die Hand um die Rose. Es knisterte, als sie zwischen ihren Fingern endgültig zu Staub zerfiel.
    »Nichts«, sagte sie.
    »Wenn es nichts ist, warum verbirgst du es dann in deiner Hand?«, fragte Harun al Dhin lächelnd.
    Verwirrt und ein bisschen schuldbewusst öffnete Robin die zur Faust geschlossene Rechte. Nur ein wenig rötlichbrauner Staub rieselte in den Sand hinab und schien von ihm aufgesogen zu werden. Harun runzelte die Stirn und ließ sich wortlos und mit untergeschlagenen Beinen unmittelbar neben Robin zu Boden sinken.
    »Ich beginne allmählich an Omars Verstand zu zweifeln«, sagte er.
    »Dieser Wahnsinnige führt uns immer tiefer in die Wüste hinein.«
    »Vielleicht ist er nicht ganz so wahnsinnig, wie Ihr glaubt«, murmelte Robin. Eine innere Stimme mahnte sie, nicht weiterzusprechen. Omar hatte ihr ein Geheimnis anvertraut, und auch wenn er vermutlich niemals erfahren würde, dass sie es Harun al Dhin gegenüber preisgab, so käme sie sich

Weitere Kostenlose Bücher