Der Ring des Sarazenen
gekommen und schwieg. Für eine Weile breitete sich eine sonderbare, fast vertraute Stille zwischen ihnen aus, als hätte Omar mit dieser kleinen Geschichte eine Tür zwischen ihnen aufgestoßen, deren Vorhandensein Robin ganz tief in sich stets gespürt, die zu sehen sie sich aber stets geweigert hatte. Alles in ihr sträubte sich gegen die Einsicht, aber sie konnte nicht anders: Sie hasste und verabscheute Omar noch immer, aber zugleich begriff sie, dass er trotz allem auch ein sehr empfindsamer Mann war, jemand, der Liebe und Vertrauen brauchte wie andere Menschen auch und der vielleicht sogar in der Lage war, das Gleiche zu geben.
»Das ist… eine sehr traurige Geschichte«, sagte sie endlich. »Aber auch eine sehr schöne.«
Omar nickte. Er schwieg. Er sah sie immer noch nicht an.
»Warum habt Ihr sie mir erzählt?«
»Dies sind die Ruinen von Qasr al-Hir al-Gharbi, dem Palast, den Hisham einst der wunderschönen Melikae schenkte«, antwortete Omar, »Und so, wie der Zauber Melikaes einst das Herz Hishams berührt hat, so hat auch vielleicht der Zauber eines kleinen Christenmädchens das des Mannes berührt, der sich selbst bisher für hart und unberührbar gehalten hat.«
Robin schloss die Augen. Sie hasste sich dafür, dass ein Teil von ihr von Anfang an auf genau diese Worte gewartet hatte.
Omar drehte sich zu ihr herum. Er ließ die Fackel sinken und sah ihr ruhig in die Augen. »Vom allerersten Moment an, in dem er sie in einem kleinen Fischerdorf an der Küste gesehen hat.«
»Omar Khalid, Ihr seid…«
»Ich weiß, was ich bin«, unterbrach sie Omar - weder in zornigem noch in herrischem Ton, sondern leise und fast bedauernd. Und traurig. »Ich werde mich nicht dafür entschuldigen, wenn es das ist, was du hören willst, Robin. Ich weiß, was ich getan habe, und ich weiß, was ich vielleicht noch tun werde. Nichts davon tut mir Leid. Nichts außer dem, was ich dir angetan habe. Könnte ich es ungeschehen machen, indem ich mir meine rechte Hand abschneide, glaube mir, ich würde es tun.« Er schien es wirklich ernst zu meinen. »Ich… ich war verwirrt. Erschrocken über das, was du in mir geweckt hast, und
ich wollte wohl nicht zugeben, mich in eine Sklavin und obendrein in eine Ungläubige verliebt zu haben.«
»Ihr übertreibt, Herr«, sagte Robin. »Ich bin Eurer nicht würdig. Ihr könnt Frauen haben, die…«
»… hundertmal schöner sind als du, ich weiß. Frauen von edler Herkunft, Frauen die reich sind, oder beides. Ich kann sie mir kaufen. Die meisten kann ich mir einfach nehmen, aber dich nicht.«
»Und deshalb glaubt Ihr, in mich verliebt zu sein?«, hörte sich Robin sagen. »Vielleicht begehrt Ihr mich nur, weil Ihr alles begehrt, was Ihr nicht haben könnt.«
Ihre Worte hatten ihn nicht wütend gemacht. Er sah sie nur weiter auf diese seltsam traurige, vorwurfsvolle Art an - ein Vorwurf, der nicht ihr, sondern ihm selbst galt -, schüttelte den Kopf und seufzte wieder. Er hob die Fackel, hielt die andere Hand über die Flammen und schien nicht einmal zu spüren, wie die Hitze seine Haut versengte. Erst nach etlichen Sekunden ballte er die Hand ruckartig zur Faust und zog sie zurück.
»Ich wollte, es wäre so. Aber das ist nicht die Wahrheit. Ich wollte dich verkaufen, um mich selbst von diesem Fluch zu befreien, aber nicht einmal das ist mir gelungen. Vielleicht, weil ich es nicht wirklich wollte. Um ehrlich zu sein: Ich war froh, als der Verkauf scheiterte.«
»Weshalb er wohl auch misslungen ist«, vermutete Robin.
»Ja«, sagte Omar. »Ich hätte dich niemals Arslan ausgehändigt, und wenn er hunderttausend Denar geboten hätte. Eher ertrage ich für den Rest meines Lebens den Zorn der Assassinen.«
»Aber warum habt Ihr mir das nie gesagt?«, fragte Robin.
»Weil ich es nicht wusste«, antwortete Omar. »Ich musste erst hierher kommen, an diesen einsamsten aller Orte, mitten ins Herz der glühendsten Wüste, um zu begreifen, dass ich die gleiche Wüste in mir getragen habe und du allein die Macht hast, sie in einen blühenden Garten zu verwandeln.«
»Das habe ich nicht, Omar«, sagte Robin fast sanft. Sie schüttelte den Kopf, als er widersprechen wollte. »Ich bin nicht das, wofür Ihr mich haltet. Ich bin nur ein einfaches Mädchen, nicht von hoher Geburt, weder reich noch gebildet. Was ich dem Johanniter gesagt habe, war die Wahrheit.«
»Welchen Unterschied macht das?«, erwiderte Omar. Er kam einen halben Schritt näher und verharrte mitten in der Bewegung,
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