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Der Ring des Sarazenen

Der Ring des Sarazenen

Titel: Der Ring des Sarazenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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abgelegt hatte. Nicht annähernd so geschickt und kunstvoll wie Saila am Tag zuvor, legte sie es an und befestigte den Schleier vor dem Gesicht, bevor sie das Zelt endgültig verließ.
    Draußen war der Tag noch nicht wirklich angebrochen, aber in dem kleinen Dorf herrschte bereits reges Treiben. Mehrere Fackeln brannten und aus verschiedenen Richtungen hallten die Geräusche von Glocken und Hufen sowie Worte in einer unverständlichen Sprache an ihr Ohr. Sie blieb einen Moment stehen und versuchte, wenigstens etwas davon zu verstehen, doch es gelang ihr nicht. Wohl hatte Salim ihr einige Brocken Arabisch beigebracht, aber offensichtlich gab es in diesem Landstrich mehr als eine Sprache.
    Salim… Der Gedanke an ihn erfüllte sie mit Traurigkeit. Tief in ihrem Inneren spürte sie, dass er noch am Leben war, und sei es nur, weil der bloße Gedanke, es könnte anders sein, einfach unvorstellbar gewesen wäre. Aber wo mochte er jetzt sein? Und wie war es ihm ergangen? Befand er sich in Freiheit oder war er nach der Seeschlacht in Gefangenschaft geraten? War er verletzt oder unversehrt? Vielleicht gar auf einer verzweifelten Flucht oder aber bereits auf der Suche nach ihr? Gestern hatte ihr letzter Gedanke vor dem Einschlafen Salim gegolten und der Frage, wie es jetzt mit ihr weitergehen sollte. Es bedrückte sie, dass es für sie keine Möglichkeit gab, sich für die Hilfe der Fischer erkenntlich zu zeigen. Ganz im Gegenteil, sie würde sogar noch mehr Unterstützung brauchen. Kleidung, Nahrungsmittel, ein Pferd und vielleicht jemanden, der sie in die nächste Stadt brachte oder zumindest zu einem Menschen, der ihre Sprache sprach und ihr weiterhelfen konnte.
    Mit einem Male wurde Robin klar, wie aussichtslos ihre Lage war. Ihr Blick glitt über das Meer, das schier unendlich und unbeschreiblich trostlos vor ihr lag, so als wäre es nur zu dem Zweck erschaffen worden, ihr und allen anderen Menschen vor Augen zu führen, wie winzig und unwichtig sie waren.
    Bedrückt wandte sie sich von der bleiernen Meeresfläche ab. Flüchtig glitt ihr Blick zu den flachen Dünen und wanderte dann über den kargen Hügel, an dessen Flanke das Fischerdorf lag. Dann wanderte er weiter zu den Bergen, hinter denen blutrot die Sonne aufging. Der Anblick dieser gewaltigen Felsbarriere verwirrte sie noch immer. Salim hatte ihr von einem Ozean aus Sand und Steinen erzählt, auf dem keine Schiffe fuhren und durch den keine Straßen führten. Wüsten, so weit und so tödlich wie das Meer. Er hatte so viele interessante Dinge von Outremer, dem christlichen Königreich im Heiligen Land, zu berichten gewusst. Seine Worte hatten Bilder in ihr entstehen lassen, die ihr bis in ihre Träume folgten. Akko, Jerusalem, Genezareth, der Tempelberg, all das war ihr verheißen gewesen und nun in unerreichbare Ferne gerückt. Ihre Welt war nicht nur größer, womöglich war sie vielleicht zu groß geworden.
    Robin hörte ein Geräusch hinter sich, und als sie sich umdrehte, erkannte sie Nemeth, die ebenfalls aus dem Zelt geschlüpft war und sich verschlafen die Augen rieb, während sie ungeniert gähnte. Im schwachen Licht der Dämmerung wirkte sie älter, als sie vermutlich war, und ernster, als ein Kind es sein sollte. Nachdem sie aufgehört hatte, sich die Augen zu reiben, blinzelte sie zu Robin hoch und sagte etwas Unverständliches in ihrer Muttersprache, und ohne sie zu verstehen antwortete Robin ihr: »Ich wollte dich nicht wecken. Es tut mir Leid.«
    Nemeth entgegnete etwas, schneller und in einer Tonlage, als hätte sie ihre Worte tatsächlich verstanden. Statt zu antworten, beschrieb Robin mit der linken Hand kreisförmige Bewegungen über ihrem Magen und deutete mit den Fingern der anderen auf ihren Mund.
    »Ich bin hungrig. Glaubst du, dass ich noch ein Stück von diesem köstlichen Fladenbrot bekommen könnte, und vielleicht einen Schluck Wasser?«
    Diesmal bedurfte es keiner Übersetzung. Nemeth lachte erfreut, wenn auch noch ein bisschen müde, ging mit schnellen Schritten an ihr vorbei und bedeutete Robin dabei, ihr zu folgen. Das Mädchen ging schnurstracks auf das Haus hinter dem Zelt zu. Drinnen brannte kein Licht, und die Morgendämmerung war noch so schwach, dass Robin nur grobe Umrisse ausmachte.
    Das Gebäude war überraschend groß. Es schien zum Teil in den Hang hineingebaut zu sein. Nehmet verschwand hinter der Tür in der Dunkelheit. Robin folgte ihr vorsichtig und in der Erwartung, Saila und ihre Mutter anzutreffen, vielleicht

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