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Der Ring des Sarazenen

Der Ring des Sarazenen

Titel: Der Ring des Sarazenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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jetzt eindeutig besser gestanden. Aber was nutzte es jetzt noch, sich mit Worten wie »hätte«, »wenn« und »wäre« abzugeben? Vielleicht sah sie die Dinge ja auch einfach zu schwarz.
    »Also gut«, sagte sie, »gehen wir.« Sie begleitete ihre Worte mit einer entsprechenden Geste, woraufhin sich Saila herumdrehte und so schnell aus dem Zelt lief, dass es schon fast einer Flucht gleichkam. Hätte Robin jetzt noch im Leisesten daran gezweifelt, dass hier irgendetwas ganz und gar nicht in Ordnung war, dann hätte die Haltung der Alten diese Zweifel endgültig zerstreut. Sie verzog keine Miene, als Robin hinter Saila das Zelt verließ, und folgte ihr dann in so dichtem Abstand, dass sie nur die Hand auszustrecken brauchte, um sie zu ergreifen. Es war sinnlos, sich noch etwas vorzumachen, dachte Robin. Spätestens seit dem Moment, in dem der Fremde ihr Zelt betreten hatte, war sie nicht mehr Gast in diesem Dorf, sondern Gefangene.
    Sie wurde zu dem Platz in der Ortsmitte geführt. Von dort aus hatte sie freien Blick auf das Boot am Strand. Einige Männer und Frauen aus dem Dorf waren damit beschäftigt, die Beutestücke zu sortieren und zu handlichen Bündeln zusammenzuschnüren. Andere trugen diese Pakete dann den Hügel hinauf und verschwanden mit ihrer Last auf der anderen Seite. Der Fremde, der vorhin in ihr Zelt gekommen war, beaufsichtigte die Arbeit zusammen mit zwei weiteren Männern, die ähnlich wie er gekleidet waren und ebenfalls Waffen trugen. Robin wurde zu ihnen gebracht, aber Sailas Mutter ergriff sie am Arm und hielt sie mit einem groben Ruck fest, als sie sich den Männern auf fünf Schritte genähert hatten.
    Robin widerstand nur mit Mühe dem Impuls, sich mit einem Ruck frei zu machen. Vielleicht hatte sie ja Glück, und der Bärtige verschwieg dem Fremden in seinem Stolz, dass Robin nicht das wehrlose Kind war, für das er sie möglicherweise hielt. Sie beging auch nicht den Fehler, dem Krieger direkt in die Augen zu blicken und ihn damit vielleicht herauszufordern, sondern starrte wortlos zu Boden und versuchte, ihn und die anderen aus den Augenwinkeln zu beobachten. Was sie sah, rundete das Bild ab, das sie sich bereits auf dem Weg hierher von der Situation gemacht hatte.
    Die Fremden waren offensichtlich Händler, denen die Fischer ihre Beute verkauften, und offensichtlich gehörte auch sie zu dieser Beute. Der Gedanke war so erschreckend, dass sie ihn im ersten Moment einfach von sich wies. Aber er war unglückseligerweise auch der einzige, der Sinn machte. Plötzlich verstand sie die Trauer in Sailas Blick. Und ebenso plötzlich wurde ihr klar, dass das, was sie für Schmerz gehalten hatte, vielleicht viel mehr ein Ausdruck von schlechtem Gewissen gewesen war. Aber noch immer mochte sie nicht glauben, dass die Fischer sie nicht aus purem Mitleid und Menschlichkeit aus dem Wasser gezogen hatten, vielmehr weil sie ihr wertvollstes Beutestück gewesen war.
    Genau in diesem Moment, fast als hätte er ihre Gedanken gelesen und wollte nun auch ihren letzten Zweifel zerstreuen, deutete der Bärtige mit einer fordernden Geste in ihre Richtung und streckte gleichzeitig die andere Hand nach dem Krieger aus. Dieser antwortete mit einem ärgerlichen Kopfschütteln, aber der Bärtige wiederholte seine Bewegung und bekräftigte sie mit entschieden klingenden Worten. Schließlich griff der Krieger unter seinen Umhang und zog einen Beutel hervor, aus dem er sieben kleine, golden schimmernde Münzen auf die ausgestreckte Hand des Bärtigen abzählte. Die Finger des Fischers schlossen sich so schnell darum wie die Fänge einer zuschnappenden Tarantel. Nach einem letzten, eindeutig boshaften Blick in Robins Richtung drehte er sich herum und ging davon.
    Gemächlich wandte sich der Krieger um, kam auf Robin zu, legte die Hand unter ihr Kinn, und schob ihr Gesicht nach oben. Mit der anderen löste er den Schleier, den sie vor dem Gesicht trug. Robin versteifte sich und spannte die Nackenmuskeln an, so sehr sie nur konnte, aber der Krieger drehte ihr Gesicht mühelos zur Seite. Dann zwang er ihr sogar mit Daumen und Zeigefinger die Lippen auseinander, um ihre Zähne, zu begutachten, als wäre sie ein Pferd, das er gerade auf dem Markt erstanden hatte.
    Dieser Gedanke war zu viel. So unvernünftig es sein mochte - Robin schlug mit einer blitzschnellen Bewegung seinen Arm zur Seite und wich gleichzeitig einen Schritt zurück. Ein Ausdruck von Verblüffung machte sich auf dem Gesicht des Kriegers breit, und sie

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