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Der Ring des Sarazenen

Der Ring des Sarazenen

Titel: Der Ring des Sarazenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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junge Männer, aber es gab auch ein paar Frauen und etliche Kinder darunter, und alle waren mit groben Stricken an den Händen aneinander gebunden.
    »Großer Gott!«, flüsterte sie entsetzt.
    »Dein Christengott wird dir hier nicht helfen«, verhöhnte sie der Krieger. »Er hat keine Macht in diesem Land. Du weißt doch: Hier ist sogar sein Sohn gestorben.«
    Robin sah ihn entsetzt an, wagte es jedoch nicht, zu antworten; stattdessen drehte sie sich wieder herum und blickte zu den aneinander gebundenen Sklaven. Erst jetzt konnte sie sehen, wie viele es wirklich waren: Es mussten fünfzig oder mehr sein, und kaum einer von ihnen befand sich in einem guten Zustand. Viele sahen aus, als hätten sie einen tagelangen Marsch und schreckliche Entbehrungen hinter sich. Einige schienen kaum noch die Kraft zu haben, sich auf den Beinen zu halten.
    »Ihr… Ihr seid Sklavenhändler?«, murmelte sie. Die Frage war reichlich überflüssig und dennoch ließ der Krieger sich zu einer Antwort herab.
    »Ja. Aber mach dir keine Sorgen. Wenn du vernünftig bist und tust, was ich dir sage, dann wirst du deutlich bequemer reisen.« Statt seine Worte näher zu erläutern, packte er sie grob am Arm und stieß sie eilig vor sich her, sodass sie laufen musste und ein paar Mal fast aus dem Tritt gekommen und gestürzt wäre. Schließlich erreichten sie das Ende der langen Kette aus aneinander gebundenen, ausgemergelten Menschen, von denen die meisten zu schwach zu waren, um überhaupt Notiz von ihr zu nehmen.
    Der Anblick jagte Robin einen kalten Schauer nach dem anderen über den Rücken. Ihr Herz schien sich zusammenzuziehen, bis es schwer wie ein Stein in ihrer Brust lag. Obwohl sie mit jedem Moment neue Schrecknisse und noch mehr Leid sah, war es ihr zugleich auch unmöglich, den Blick von den aneinander gebundenen Sklaven zu wenden. Noch vor drei Tagen, während des Kampfes gegen die Sarazenen, war sie fest davon überzeugt gewesen, das Schlimmste mitzuerleben, was Menschen einander antun konnten. Jetzt wusste sie, dass das nicht stimmte. Dies hier war unendlich grausamer.
    Am Ende der langen Kette aus Menschenleibern warteten zwei weitere Kamele und ein dritter, von zwei kräftigen Pferden gezogener Karren auf sie. Ihr Begleiter zerrte sie zum hinteren Ende des Wagens und hielt Robin dabei mit der linken Hand mit eisernem Griff fest, während er mit der anderen den schweren Riegel zurückschob, mit dem die Tür des Wagens gesichert war. Dahinter war es so dunkel, dass Robin nur ein schwarzes Rechteck wahrnahm. Bei diesem Anblick erwachte sie aus ihrer Lethargie und stemmte sich mit aller Kraft gegen den Griff des Sklavenhändlers. Vergebens! Es bereitete ihm nicht die geringste Mühe, sie in den Karren hineinzustoßen. Als sie heftig auf den hölzernen Boden der Kutsche, aufschlug schürfte sie sich die Knie und die Handflächen an den rauen Brettern auf. Mit einem gepeinigten Keuchen rollte sie sich auf die Seite.
    Dann biss sie die Zähne zusammen, um den Schmerz zu überwinden und sich wieder hochzustemmen. Abwehrbereit hob sie die Arme, fest davon überzeugt, dass der Sklavenhändler hinter ihr in den Wagen steigen und unverzüglich über sie herfallen würde. Der blieb jedoch reglos an der Tür stehen und sah sie mit einer Mischung aus Überraschung, aber auch widerwilliger Bewunderung an.
    »Was willst du von mir?«, fragte Robin keuchend. »Ich bin nichts wert. Niemand wird ein Lösegeld für mich bezahlen.«
    Der Sklavenhändler schürzte abfällig die Lippen. »Das wird sich zeigen«, antwortete er. »Wir brechen auf, sobald die Kamele beladen sind. Wenn wir unser Nachtlager aufschlagen, komme ich wieder. Bis dahin kannst du überlegen, ob du vernünftig sein und die Reise bequem zurücklegen oder lieber zusammen mit den anderen zu Fuß gehen willst. Aber überleg es dir gut. Der Weg ist weit.« Er deutete mit einer geringschätzigen Geste in Richtung der Sklaven. »Ein Drittel von ihnen wird das Ziel nicht erreichen.«
    »Wohin bringt Ihr mich?« Auf diese Frage bekam sie keine Antwort mehr. Die Tür wurde geschlossen. Dunkelheit schlug wie eine Woge über ihr zusammen und sie hörte das scharrende Geräusch des Riegels, der vorgeschoben wurde.
     
    6. K APIT E L
     
    Kaum war der Sklavenhändler gegangen, als sich der Wagen auch schon in Bewegung setzte. Er hielt erst wieder an, als es schon längst dunkel geworden war und die Karawane ihr Nachtlager aufschlug. Robin konnte nicht sagen, wie viele Stunden sie unterwegs

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