Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ring des Sarazenen

Der Ring des Sarazenen

Titel: Der Ring des Sarazenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
musste gegen Übelkeit ankämpfen. Angewidert drehte sie den Kopf zur Seite, machte einen halben Schritt zurück und beeilte sich, den Schleier selbst zu befestigen. Seinem Blick nach zu urteilen war das Ergebnis nicht das, was er sich vorgestellt hatte, aber er schien sich dennoch damit zufrieden zu geben, denn er beließ es dabei, ungeduldig mit den Händen zu fuchteln und auf eine Tür hinter ihrem Rücken zu deuten. Robin drehte sich gehorsam herum, und nutzte die Gelegenheit, um noch einen raschen Blick in die Runde zu werfen.
    Viel gab es indes nicht zu sehen. Der Hof war an drei Seiten von hohen, grob verputzten Mauern umschlossen. Der einzige Weg hinaus in die Gassen der Stadt war ein breites, aus soliden Balken gefertigtes Holztor, das sich hinter der kleinen Karawane bereits wieder geschlossen hatte. Die vierte Seite des Hofes wurde von einer Hauswand eingenommen. Zu ebener Erde gab es hier nur den einen niedrigen Eingang, auf den ihr Bewacher gedeutet hatte. Hinter der offenen Tür konnte sie nichts als Dunkelheit ausmachen. Die beiden oberen Geschosse des dreistöckigen Hauses besaßen zahlreiche vergitterte Fenster, aber diese waren so schmal, dass sie eher an Schießscharten erinnerten.
    Kein unbedingt einladender Ort.
    Die Stimme hinter ihr wurde nun lauter und deutlich ungeduldiger. Robin beeilte sich, zur Tür zu kommen, obwohl alles in ihr danach schrie, herumzufahren und davonzulaufen, ganz egal, wie aussichtslos ein Fluchtversuch auch sein mochte. Der Araber gab ihr ohnehin nicht die geringste Gelegenheit dazu; unsanft stieß er sie vorwärts und in einen dunklen Gang hinein, dann schlug er hinter ihrem Rücken die Tür zu. Robin hörte das ihr inzwischen vertraute Geräusch eines schweren Riegels, der vorgelegt wurde.
    Von außen. Sie war wieder in einem Gefängnis.
    Sogleich drang das ferne Plätschern von Wasser und leise, fremdartige Musik an ihr Ohr ; außerdem war es so angenehm kühl im Haus, dass sich schon beinahe wohl zu fühlen begann. Allerdings nur so lange, bis sie das Knarren einer Tür am anderen Ende des Ganges hörte und gespannt darauf wartete, welche Art Peiniger sie nun hier erwartete.
    Doch statt eines weiteren übel aufgelegten Gehilfen des Sklavenhändlers betrat eine alte, barhäuptige Frau den Korridor. Sie kam nicht näher, sondern blieb unter der Tür stehen und bedachte Robin mit einem Blick, der ihr gar nicht gefiel. Er war nicht einmal unfreundlich, doch die durchdringende, prüfende Art, mit der sie Robin musterte, ließ ihr einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Die Alte sah sie an, wie man einen neu erworbenen, kostbaren Besitz betrachten mochte, vielleicht auch ein edles Pferd, das man zu zähmen gedenkt. Schon dieser eine Blick reichte Robin, um zu wissen, dass sie von dieser Frau kein Mitleid oder gar Beistand erwarten konnte.
    Die alte Frau war ein Stück kleiner als Robin und hatte strähniges, bis auf die Schultern fallendes graues Haar, das so dünn geworden war, dass hier und da schon ihre Kopfhaut durchschimmerte. Ihre Hände waren schmal und knochig, und Robin musste unwillkürlich an ein Skelett denken. Die Alte trat einen Schritt zurück und wieder durch die Tür hindurch, unter der sie gerade erschienen war. Dann winkte sie Robin, ihr zu folgen. »Komm«, befahl sie, mit einer Stimme, die trotz ihres stolzen Alters voller Kraft war.
    Da Robin es sich nicht gleich im ersten Moment mit ihr verderben wollte, beschleunigte sie ihre Schritte und stieg gehorsam die Steintreppe hinauf, auf die die Alte gedeutet hatte. Sie führte an zwei Fenstern vorbei, die mit bunt bestickten Tüchern verhängt waren, sodass Robin nicht sagen konnte, ob sie auf die Straße oder nur einen weiteren Hof hinausgingen. Ein sonderbarer Geruch hing in der Luft: nicht unangenehm, aber fremdartig. Es duftete nach Gewürzen, Kräutern und anderen Dingen, die sie nicht zu benennen vermochte. Von ganz weit her glaubte sie Stimmen zu hören. Ein leises Wehklagen etwa? Aber Robin war sich nicht ganz sicher.
    Auch im obersten Stockwerk gab es einen Flur mit zwei Türen. Robin wartete und lauschte auf den schlurfenden Schritt der Alten. Wortlos ging ihre Führerin an ihr vorbei und wählte die Tür auf der linken Seite. Sie schob den Riegel zurück und bedeutete Robin mit einer eindeutigen Gebärde einzutreten.
    Robin hatte sich zwar fest vorgenommen, auf keinen Fall etwas Unüberlegtes zu tun, und doch… Die Gelegenheit war günstig. Ein altes Weib zu überwältigen sollte

Weitere Kostenlose Bücher