Der Ring des Sarazenen
und blickte die geschlossene Tür an, halbwegs darauf gefasst, die alte Frau in Begleitung des Arabers zurückkommen zu sehen, um ihren Willen nun mit Gewalt durchzusetzen. Als alles still blieb, wandte sich Robin um und trat an das größte der Fenster ihres goldenen Käfigs.
Der Ausblick ließ sie alles vergessen, was sie noch vor einem Augenblick gedacht und gefühlt hatte. Sie befand sich in der zweiten Etage des Gebäudes, und das Fenster führte auf eine Stadt hinaus, die so gewaltig und so fremdartig war, dass Robin zunächst meinte, sie befände sich inmitten eines Märchens.
Mehr als ein halbes Dutzend schlanke, hohe Türme erhob sich über das Labyrinth aus Gassen. Sie waren mit bunten Kacheln verkleidet, die strahlend im Sonnenlicht glänzten. Einer der Türme schien ein Dach aus gleißendem Gold zu haben. Direkt daneben wölbte sich eine hohe, ebenfalls golden glänzende Kuppel, die zu einem Gebäude mit einem großen Innenhof gehörte.
Mitten durch die Stadt zog sich ein breiter, blaugrüner Fluss, den zwei weite Brücken überspannten. Bis zum Wasser waren es von Robins Gefängnis aus keine fünfzig Schritt. Entlang des Ufers drehten sich riesige hölzerne Wasserräder. Verwundert beobachtete Robin, wie die Räder Wasser zu hohen Brücken hinauf hoben, auf denen sich schmale Bäche stadtauswärts ergossen. Eine dieser Brücken erhob sich keine vier Schritt entfernt auf der anderen Seite der Gasse, an die ihr Gefängnis angrenzte. Den Boden der Gasse konnte sie von ihrem Fenster aus nicht sehen, denn zwischen den Hauswänden und den Pfeilern dieser seltsamen Wasserbrücke waren bunte Sonnensegel aufgespannt. Deutlich drang von dort das vielstimmige Gemurmel eines Marktplatzes hinauf und die Luft war schwer vom Duft fremdartiger Gewürze.
Etwas seitlich vom Markt, an einer weniger belebten Straße, lag ein prächtiges Haus, dessen Fassade aus Reihen von rotem und weißem Stein gefügt war. In seinem Hinterhof erhoben sich prächtige Bäume, auf deren ausladenden Ästen etliche weiße Tauben saßen.
Robins Blick glitt weiter zu der wuchtigen Zitadelle, die sich an die Stadtmauer anschloss. Dort konnte sie die türkisfarbenen Kuppeln eines Palastes erkennen. Jenseits der Stadtmauer erstreckten sich Palmgärten und Weizenfelder bis zum Horizont.
Robin hätte hinterher nicht sagen können, wie lange sie so dagestanden hatte, vollkommen versunken in das friedliche Bild der geschäftigen Stadt. Es musste wohl eine geraume Weile gewesen sein
und sie hätte gewiss noch viel länger beim Betrachten des bunten Treibens verweilt, hätte das Geräusch des Riegels, unmittelbar gefolgt vom Scharren der unsanft aufgezerrten Tür, sie nicht aus ihren Gedanken gerissen. Erschrocken und seltsamerweise ein wenig schuldbewusst wandte sie sich um und sah sich wieder der Alten gegenüber. Robin hätte in ihrer Begleitung einen der Krieger erwartet und war deshalb umso verblüffter, als sie nun Omar Khalid, den Sklavenhändler höchstselbst, erblickte. Mit energischen Schritten trat er in den Raum, wedelte unwillig mit der Hand und starrte Robin ausdruckslos an, bis die Alte seinem stummen Befehl Folge geleistet und das Zimmer wieder verlassen hatte.
»Warum machst du dir selbst Schwierigkeiten?«, fragte er barsch.
»Ich mache keine…«, begann Robin, wurde aber sofort mit einer herrischen Geste unterbrochen.
»Naida sagte mir, dass du dich weigerst, ihr zu gehorchen.«
»Ich wollte nur nicht…«
Wieder unterbrach er sie, in ungeduldigerem Ton, in dem auch eine Drohung mitschwang. »Niemand will dir etwas antun, wenn es das ist, was du fürchtest, du dummes Kind.« Er schüttelte heftig den Kopf. »Dazu bist du viel zu kostbar. Du wirst diese Fetzen ausziehen und zulassen, dass man dich wäscht und einen Menschen aus dir macht, hast du das verstanden?«
Robin hatte vielleicht nicht alle Worte verstanden, sehr wohl aber den Sinn dessen, was er ihr sagen wollte. Sie nickte wortlos und diese Geste der Demut schien dem Sklavenhändler zu gefallen. Jedenfalls verflog sein Zorn. »Wirst du vernünftig sein?«
Wieder nickte Robin, doch diese »Antwort« schien ihm nicht zu genügen. Ärgerlich zog er die Augenbrauen zusammen. Plötzlich drehte er sich mit einem Ruck herum und bedeutete ihr mitzukommen. »Ich bin nicht ganz sicher, was in deinem Kopf vor sich geht und ob du wirklich begriffen hast, in was für einer Lage du dich befindest«, begann er. »Deshalb möchte ich dir etwas zeigen. Folge mir.«
Sie
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