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Der Ring des Sarazenen

Der Ring des Sarazenen

Titel: Der Ring des Sarazenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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jetzt tun konnte. Solange ihr Omar den Ring noch ließ, sollte sie sehen, dass sie ihn gegen einen vernünftigen Gegenwert eintauschte - das war sicherlich auch in Salims Sinne.
    »Also?«
    Endlich erwachte Naida aus ihrer Starre. Mit sichtlicher Mühe riss sie ihren Blick von Robins Hand und dem Ring zwischen ihren Fingern los und sah sie aus großen Augen an. »Du musst… den Verstand verloren haben«, murmelte sie fassungslos.
    Das scheint mir auch so, dachte Robin. Laut sagte sie: »Vielleicht. Aber nicht mein Herz. Deines scheint ja aus Stein zu sein, wenn du dieses Kind sterben lässt, um deinem Herrn ein paar Münzen zu ersparen.«
    Sie sah Naida an, dass sie eine Menge darauf hätte erwidern können, aber schließlich hob die Alte nur die Schultern, streckte behutsam die Hand aus und nahm Robin den Ring ab. Sie verbarg ihn weder in ihrem Gewand, noch schloss sie die Finger darum, sondern ließ ihn auf ihrer ausgestreckten Handfläche liegen und hielt den Arm so weit von sich fort, wie sie konnte. Es schien beinahe, als fürchte sie diesen Ring, als könnte er sie vergiften oder ihr irgendein anderes Leid antun.
    »Wenn das wirklich dein Wunsch ist…«
    »Das ist es«, sagte Robin. »Und jetzt geh. Verkauf den Ring auf dem Markt oder wo immer du magst und schick einen Medicus, der sich um die Sklaven kümmert. Und sollte von dem Erlös noch etwas übrig sein, dann besorge etwas zu essen für sie.«
    Naida machte sich nicht die Mühe, darauf zu antworten. Vielleicht hatte sie vor, den Heiler mit einem Teil des kleinen Vermögens zu bezahlen, den der Ring sicherlich wert war, und den Rest selber in die Tasche zu stecken. Es war Robin gleich. Ihre Augen brannten, und ein Teil von ihr wollte noch immer nichts lieber tun, als der Sklavin den Ring wieder abzunehmen und ihn wie einen unendlich wertvollen Schatz zu verteidigen. Zugleich aber fühlte sie sich unsagbar erleichtert. Ihr war, als hätte sie sich mit dem Opfer, das sie erbracht hatte, von einer Schuld freigekauft, die ihr ohne ihr Zutun auferlegt worden war. Es spielte keine Rolle, ob sie den Ring besaß oder nicht. Salim hatte ihn ihr gegeben, und ob sie ihn weiter am Finger trug oder aber nur in ihrem Herzen - er würde immer da sein.
    »Ganz, wie du meinst«, sagte Naida schließlich und in verändertem Tonfall. »Und nun zieh dich an. Harun wird gleich hier sein.«
    »Harun?«
    »Du wirst tun, was er von dir verlangt, so als hätte ich es selbst angeordnet«, erwiderte Naida, ohne Robins Frage zu beantworten. Sie sah noch einmal auf den Ring auf ihrer Handfläche hinab und ging dann langsam, fast zögerlich, zur Tür und zog sie auf.
    Wie üblich stand Faruk vor Robins Gemach, der hünenhafte schwarz gekleidete Krieger, den Omar offensichtlich zu ihrer persönlichen Bewachung abgestellt hatte. Er wandte den Kopf und sah unbeteiligt auf die alte Sklavin hinab, die gedankenverloren einen Moment im Türrahmen stehen blieb. Plötzlich aber fuhr er zusammen und starrte aus aufgerissenen Augen auf den goldenen Ring in Naidas Handfläche.
    Naida schloss die schwere Tür hinter sich. Einen Augenblick konnte Robin Stimmen hören. Dann war alles ruhig. Der Krieger hatte überrascht, ja sogar erschrocken gewirkt. Doch warum?
    Robin verscheuchte den Gedanken mit einem Kopfschütteln und wandte sich wieder dem Treiben auf dem Hof zu. Die Schlange vor der Pferdetränke war inzwischen weitergerückt. Der Junge und seine Mutter hatten den Trog erreicht und der Knabe war davor auf die Knie gesunken. Robin konnte sehen, wie er das schmutzige Wasser mit großen, gierigen Schlucken trank, bis seine Mutter ihn sanft zurückzog, einen Teil ihres Schleiers löste und den Zipfel ins Wasser tauchte. Mit einer Zärtlichkeit, deren bloßer Anblick Robin wie ein Messerstich in die Brust traf, begann sie, sein Gesicht zu waschen. Der Junge wehrte sich. Das Wasser war kalt und vermutlich hatte er Schmerzen, aber die Araberin hielt ihn fest und fuhr fort, ihn zu säubern. Vermutlich wusste sie, dass das Kind diesen Tag kaum überleben würde, allerhöchstens noch den folgenden, und dennoch kümmerte sie sich so liebevoll und zärtlich um den Knaben, als säßen sie zu Hause in ihrem Dorf und bereiteten sich auf ein Fest vor. Warum war Gott so grausam? dachte Robin. Grausam zu diesen Menschen dort unten, grausam auch zu ihr. Warum erlegte er ihr eine solch schreckliche Prüfung auf? Was hatte sie getan? Wodurch hatte sie das Schicksal herausgefordert, dass es so hart

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