Der Ring des Todes - ein Wagner Krimi
tatsächlich wieder der Alte, wäre es ihm unmöglich gewesen, sich so für seine Belange und die seines Teams einzusetzen. Er hatte im Leben noch nie um etwas kämpfen müssen, geschweige denn wollen. Soeben hatte er sich diesbezüglich selbst entjungfert!
Es war ein gutes Gefühl, obgleich ihm immer noch nicht klar war, woher diese Energie rührte.
Leise öffnete Wagner die Tür zu seinem Büro. Menzel hing wie der buchstäbliche Schluck Wasser in der Kurve auf einem Stuhl. Die Kaffeetasse baumelte schlaff in seiner Hand. Unwillkürlich musste Wagner grinsen. Sebastian Menzel war Ende zwanzig, und schon eine ganze Weile in seinem Team. Alle nannten ihn Sebbi. Nur er als Teamleiter verzichtete darauf. Aus für ihn unerfindlichen Gründen war ausgerechnet Menzel ihm gegenüber stets loyal geblieben. Die anderen im Team ließen Wagner ihre Unzufriedenheit um Längen deutlicher spüren, obwohl auch sie in ihrem Arbeitseifer nicht nachgelassen hatten, während er in seiner Sinnkrise steckte.
„Was sitzt du hier rum? Wir haben haufenweise Arbeit vor uns! Unser obskurer Serienmörder fängt sich schließlich nicht von selbst!“ Der überschwappende Kaffee platschte auf den uralten Linoleumboden, als Sebastian Menzel sich im Stuhl aufrichtete. „Wie? Soll das heißen, du hast…?“ „Es ist vollbracht. Ich hab unseren Boss noch mal rumgekriegt! Aber wir müssen das Ding hier jetzt erfolgreich abschließen, sonst heißt es für mich bye-bye Mordkommission.“ „Das nenn ich mal eine Ansage, Chef. Bin schon unterwegs!“
Eilig wischte er den Kaffee vom Boden auf und verschwand durch die offene Tür.
„Theo?“ Wagner hatte sich gerade an den Schreibtisch gesetzt, als Menzel wieder in der Tür stand. „Was ist?“ „Danke! Ich weiß zwar nicht, ob du dich für uns so reingehängt hast oder nur für dich. Aber wie auch immer, danke!“ Wagner sah seinen Kollegen ernsthaft an.
„Für uns alle! Außerdem habe ich euch zu danken. Wir sind ein gutes Team! Und das soll auch so bleiben! Jetzt verschwind schon, Sebbi, ich muss Dr. Kremer anrufen.“
„Ich muss jetzt erst mal eine rauchen“, stammelte Menzel und war weg.
Hauptkommissar Wagner rauchte ebenfalls, am offenen Fenster.
Es war längst an der Zeit, die Gedanken zu ordnen und alte Fähigkeiten wieder zu mobilisieren. Dr. Kremer hatte die Autopsie an Ronny Pfingst für dreizehn Uhr festgesetzt.
Er hatte bis dahin noch genügend Zeit, um sich nach den Ermittlungserfolgen bezüglich antiquarischer Waffenhändler zu erkundigen.
Rosalie hatte hierfür eine Liste aller Antiquariate der Stadt und der Umgebung aufgestellt.
Sie ließ ihn unverhohlen wissen, dass es ihr keinen Spaß machen würde, die Läden abzuklappern. „Nimm den Sebbi mit. Der ist so was von energiegeladen. Er hilft dir sicher gern. Achtet auf alle Details. Vielleicht ist unser Mörder selbst einer dieser Antikwaffenhändler. Passt also auf euch auf!“, hatte Wagner ihr geraten.
Rosalie brummelte am anderen Ende der Leitung etwas Unverständliches und fügte noch hinzu: „Seit wann nennst du den Kleinen eigentlich Sebbi?“ Wagner selbst war es gar nicht aufgefallen.
Fünf nach eins stand er neben Dr. Kremer am OP-Tisch.
„Unser Schauspieler hat auch einen Ring geschenkt bekommen. Ich habe ihn schon mal geröntgt und das Ding entfernt. Sie mögen diese Prozedur ja nicht so sehr“, flachste Dr. Kremer amüsiert. Wagner grinste gequält. „Wieder post mortem eingeführt und diesmal mit einem hübschen gelben Glasstein verziert.“ Der Gerichtsmediziner schwenkte wieder einmal hocherfreut die Tüte samt Inhalt. „Die Klinge vom zerbrochenen Schwert am Tatort stimmt, wie wir bereits annahmen, mit dem Abdruck der Wunde unseres zweiten Opfers überein. Also haben Sie bei Kandidat Nummer drei den Grund für das Ableben von Kandidat Nummer zwei gefunden.“ Dr. Kremer war merkwürdigerweise allerbester Stimmung.
„Sie hatten ein schönes Wochenende?“ „Ja, wie kommen Sie darauf?“ Der Gerichtsmediziner stemmte seine kräftigen Pranken in die fülligen Hüften. „War nur geraten.“ Wagner fühlte sich ein wenig von der ausgelassenen Stimmung angesteckt. Der restlichen Untersuchung von Ronny Pfingst folgte er dann nur noch mit reduzierter Aufmerksamkeit. Der Mörder hatte auch diesmal keinerlei Spuren an der Leiche hinterlassen. Auch am Tatort war wieder nichts gefunden worden. War der Kerl Mary Poppins oder startete er nach jedem Mord eine leidenschaftliche Putzorgie? Theobald
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