Der Ring des Todes - ein Wagner Krimi
Sie gekommen, Frau Winkler?“
Er hoffte sehr, dass sie seine Zeit nicht verschwendete, machte sich aber bezüglich handfester Hinweise wenig Hoffnung. Was sollte diese Dame mit einem Serienkiller zu tun haben?
Elsbeth Winkler öffnete ihre große Handtasche und legte mehrere Zeitungsseiten auf den Tisch. „Normalerweise mische ich mich nicht in das Leben und die Arbeit anderer Menschen ein.“ Sie machte eine kurze Pause und tippte mit dem rechten Zeigefinger auf den Zeitungsstapel. „Hierdrin steht, dass Sie für die Ermittlungen bezüglich dieser drei Morde zuständig sind. Deshalb bin ich direkt zu Ihnen gekommen.“ Wagner blickte teilnahmslos auf die Buchstaben. Es waren die Artikel, die spärliche Informationen über die Opfer, die Tatorte und die Ermittlungsarbeit seines Teams enthielten. Lutz Hartmann war ein Fuchs, was Pressearbeit anging. Die Informationen flossen nur wohl dosiert. Was sollte diese Dame daraus schon lesen können?
„Sie fragen sich nun wahrscheinlich, was ich aus den Artikeln herausgelesen haben könnte, das Ihnen hilfreich sein würde?“ Theobald Wagner schluckte. Konnte sie Gedanken lesen? Wahrscheinlich hatte ihn seine gelangweilte Miene verraten. Wie peinlich!
Er räusperte sich: „Nun ja, damit haben Sie durchaus Recht. Was haben Sie entdeckt? Kennen Sie den Mörder etwa?“ Elsbeth Winkler lächelte amüsiert.
„Das wohl kaum, aber diese Artikel verraten einem interessierten Leser, dass die Polizei bezüglich der Ermittlungen …, wie sagt man? … im Dunklen tappt. Ich hatte, bitte verzeihen Sie meine Offenheit, mit jedem veröffentlichten Bericht stärker das Gefühl, dass die Polizei mit diesen… eigentümlichen Accessoires am Tatort nichts anfangen kann.“
Nun räusperte Frau Winkler sich, und zum ersten Mal hatte Wagner das Gefühl, einen Hauch von Unsicherheit an ihr zu spüren. „Sprechen Sie weiter, Frau Winkler. Ich bin wirklich sehr gespannt.“ Sein Tonfall hatte etwas Zynisches. Er war sich nicht sicher, ob das beabsichtigt war. Offenbar verstand Elsbeth Winkler seine Worte als Angriff auf Ihre Person.
Sie straffte den Rücken und fuhr sich mit einer sanften Handbewegung durchs graue Haar.
„Herr Hauptkommissar, ich bin keine durchgeknallte Rentnerin. Und während meiner bisherigen siebenundsechzig Lebensjahre bin ich nicht als Profilneurotikerin aufgefallen. Mein Leben ist durchaus erfüllt, das können Sie mir glauben.“
Wie alt war diese Frau Winkler? Siebenundsechzig? Wagner hatte die Frau auf Ende fünfzig geschätzt. Da er verdattert schwieg, fuhr Elsbeth Winkler fort.
„Es ist mit diesen Artikeln nur so, dass sie mich aufs Tiefste beunruhigen. Deshalb habe ich sie mir mehrfach durchgelesen. Und ich glaube diese… Beigaben am Tatort zu verstehen. Ganz im Gegensatz zu Ihnen, wie mir scheint.“ Zack! Das hatte gesessen. Sie hatte ihre Haltung zurück. Jegliches Anzeichen einer Unsicherheit war verschwunden.
Vielmehr war Frau Winkler nun in ihrer Wortwahl äußerst forsch, aber immer noch damenhaft, wie Theobald Wagner fand. „Verzeihen Sie, Frau Winkler. Wir sind wegen des Falls ziemlich dünnhäutig. Bitte, erklären Sie mir genau, was Ihnen aufgefallen ist.“
Hauptkommissar Wagner war mit einem Mal zutiefst beschämt. Normalerweise ging er mit naseweisen Zivilisten noch härter ins Gericht. Kaum etwas hasste Wagner mehr, als irgendwelche Klugscheißer, die sich dazu berufen fühlen, sich in seine Ermittlungen einzumischen. Meistens gaben sie ohnehin nur sinnloses Gewäsch von sich. Bei Elsbeth Winkler war das allerdings etwas anders. Zunächst fühlte er sich auf merkwürdige Weise von ihrer Würde bezaubert und obendrein sagte ihm sein Gefühl, dass er jetzt, verdammt noch mal, zuhören sollte.
Elsbeth Winkler lächelte kaum merklich und fuhr fort: „Zunächst ist es mir nicht aufgefallen. Erst nachdem ich alle drei Artikel direkt verglichen habe. Sie müssen wissen, ich hebe meine Zeitungen immer eine Weile auf. Ich lese über mehrere Tage oder auch Wochen quer. Fragen Sie mich nicht warum. Ich weiß es selbst nicht.“ Elsbeth Winkler unterbrach sich kurz und faltete ihre Hände im Schoß. „Jedenfalls habe ich den letzten dieser drei Artikel gelesen und hatte das Gefühl, die anderen beiden Artikel wieder heraussuchen zu müssen. Ich habe mir eine Liste der Dinge gemacht, die an den verschiedenen Tatorten gefunden wurden. Und da habe ich es gesehen. Es ist eigentlich nur eine Vermutung, und dennoch hat es mir keine Ruhe gelassen.
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