Der Ring des Todes - ein Wagner Krimi
seine Frau zu überreden, ihm häufigeres Besuchsrecht bei seinem Sohn zu gewähren.
Als Wagner schließlich viel zu spät und viel zu betrunken ins Bett fiel, dachte er einen kurzen Augenblick an Lara, bevor er schließlich in einen komatösen Schlaf sank.
Der nächste Morgen kam viel zu schnell, zu laut und zu hell, wie üblich nach diesen speziellen Nächten. Als Theobald Wagner sich dem Licht und dem Wecker ergeben hatte und endlich unter der Dusche stand, wurde er überraschend schnell klar im Kopf, wenn er einmal davon absah, dass sich die weißen Fliesen im Inneren der Dusche bei längerer Fixierung aus den Augenwinkeln langsam und dreidimensional von den grauen Fugen abzuheben schienen. Dieses Phänomen kannte Wagner bereits. Es begegnete ihm beim Duschen immer dann, wenn er zuvor in seinen Klamotten aufgewacht war. Zu Tim hatte er einmal scherzhaft gesagt, dass er annehme, die optische Täuschung hinge nicht mit seinem verheerenden Zustand zusammen, sondern mit der Übernachtung in seinen Kleidern. Tim hatte sich königlich amüsiert. Jedenfalls waren die Fliesen in der Dusche seither Wagners zuverlässiger Indikator für seinen Zustand am Morgen nach einer durchzechten Nacht. Traten sie nicht zwischen den grauen Fugen hervor, war alles paletti. Kamen sie ihm aber derart aufdringlich entgegen wie heute, war das letzte Glas am Vorabend definitiv schlecht gewesen. Als Wagner sein Gesicht beim Rasieren im Spiegel betrachtete, stieg blanker Zorn gegen sich selbst in ihm auf. „Jetzt ist Schluss. Wenn du schon alles vermasseln musst, dann wenigstens in nüchternem Zustand und bei vollem Bewusstsein.“
Entschlossen, wenn auch zittrig, zog er sich an und packte vor dem Verlassen der Wohnung eilig seinen heiß geliebten Singlemalt sowie alle anderen harten Alkoholika in eine Tüte und pfefferte sie im Vorbeigehen in den nächstliegenden Glascontainer. Damit war jetzt endgültig Schluss.
Einzig seine Sammlung schöner, schwerer Rotweine aus der Pfalz hatte er verschont.
Im Coffeeshop holte er sich seinen doppelten Espresso Latte. Lara arbeitete an diesem Morgen offenbar nicht. Einerseits war er froh darüber, denn er wollte ihr in einem solch entwürdigenden Zustand nie wieder unter die Augen treten, andererseits hätte ihr Anblick ihm heute sicher gut getan.
Bis zur Ankunft im Revier hatte Theobald Wagner den Kaffeebecher geleert und einen Bagel mit Parmaschinken verdrückt, dem ein Donut mit Schokoglasur auf dem Fuße folgte.
Auf dem Weg in sein Büro fühlte er sich merkwürdig beschwingt und trotz Kneipentour am Vorabend relativ fit. Gerade als er Dr. Kremer anrufen wollte, kam Menzel in sein Büro.
Er war erschreckend blass und sah um Jahre gealtert aus. Wagner grinste: „Na, warste auch noch auf Tour gestern Nacht?“ „Hartmann will dich sprechen, und zwar sofort. Ich soll mich bei Wellers Team melden. Der Fall wird uns entzogen, und…“ Wagner war mittlerweile langsam aufgestanden. „Nichts dergleichen wirst du tun. Der Fall wird uns nicht entzogen, so wahr ich hier stehe. Du setzt dich jetzt hierhin und trinkst einen Kaffee. Ich bin gleich zurück.“ Niemals zuvor war Theobald Wagner derart wütend auf seinen Chef gewesen.
Wenn Lutz Hartmann ohnehin vorhatte, ihm sein Team und den Fall wegzunehmen, hatte er spätestens jetzt nichts mehr zu verlieren. Dann konnte er ebenso gut noch eins drauf setzen und dafür sorgen, dass Hartmann die Gelegenheit bekam, ihn endlich zu suspendieren.
Deshalb beschloss Wagner auf jedwede Umgangsformen zu verzichten, während er mit geballten Fäusten das Büro seines Chefs ansteuerte.
Ohne anzuklopfen riss er die Tür auf. Lutz Hartmann zuckte angesichts der zuknallenden Tür kurz zusammen, fing sich aber gewohnt schnell wieder.
„Theo. Schön, dass du vorbeischaust. Komm doch rein. Ist doch nicht nötig, dass du anklopfst.“ Wagner stützte sich mit beiden Händen auf den Schreibtisch von Hartmann.
„Du findest das alles witzig, Lutz? Schön für dich. Entschuldige, dass ich nicht darüber lachen kann, wenn du mein Team auflöst und mir den Fall entziehst, ohne mich vorher zu informieren.“ Hartmann grinste: „Ich wusste immer, dass du keinen Humor hast, Theo. Dass dir dein kläglicher Rest guter Manieren abhanden gekommen ist, überrascht mich hingegen ein klein wenig.“ Lutz Hartmann war nun ebenfalls aufgestanden und sah Hauptkommissar Wagner provozierend in die Augen. „Dein Ton mir gegenüber ist mehr als unangemessen. Zudem wusstest du, dass
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