Der Ring des Todes - ein Wagner Krimi
und spuckte brav den gewohnt schmackhaften Kaffee aus. Es gab einen wirklich triftigen Grund für das Wiederbeleben dieses uralten Rituals. Wagner musste seine Gedanken sammeln, um seinen Chef heute von jener dünnen Theorie zu überzeugen. Vorher musste er glaubhaft vermitteln, dass alles auf seinem Mist gewachsen war, um sich und Elle nicht zu verraten. Ein gutes Stück Taktik war hier gefragt.
Hartmann war alles Mögliche, nur nicht einfältig oder dumm.
Auf dem bizarren Fußmarsch gestern Nacht durch die Straßen war er, anders als geplant, unfähig gewesen, ein Konzept für den nächsten Tag zurechtzustricken. Sein Unterbewusstsein hatte es einfach nicht zugelassen, sondern hatte stattdessen absurde Botschaften geschickt, wie: ‚Hörst du dieses Geräusch? Da, hinter dir! Kannst du es nicht fühlen? Jemand verfolgt dich! Bleib stehen und sieh dich um! Siehst du diesen Schatten nicht? Lauf schneller, du bist in Gefahr! Spürst du das denn nicht?‘
Sein Realitätssinn hatte unentwegt gegen diese Stimmen aus der Tiefe seines Unterbewusstseins angekämpft. Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Eine tiefe Persönlichkeitsspaltung, das würde ihm jetzt gerade noch fehlen. Beim Gedanken an seinen nächtlichen Spaziergang fröstelte es ihn. Schnell schob er die Erinnerung daran weit von sich.
„Nun zurück zum uralten Ritual, mein Freund. Wie oft hast du hierbei die besten Strategien entwickelt? Also ran an den Speck.“ Diese verdammten Selbstgespräche mussten ein Ende finden! Theobald Wagner umklammerte den heißen Kaffeepott und atmete gierig das geliebte Aroma ein. Er ging zur Tür, öffnete sie und setzte sich auf der kleinen Terrasse auf seinen Holzsessel.
Zwischen den üppigen Pflanzen hindurch, die am Geländer entlang aufgereiht waren, warf er einen Blick in den Innenhof. Es war herrlich still um diese Uhrzeit. Hilde, seine Haushälterin, pflegte seit ihrer Machtübernahme im Wagnerschen Junggesellenhaushalt die Balkonpflanzen mit solcher Hingabe, dass inzwischen ein wahrer Dschungel auf dem Balkon entstanden war.
In dieser Oase reihte er in Gedanken sämtliche Fakten und Argumente logisch auf, um Lutz Hartmann keine Chance zu geben, ihm zu widersprechen.
Gegen acht Uhr dreißig stand Wagner dann vor der geschlossenen Bürotür seines Chefs. Showtime!
Zunächst verlief das Gespräch wie erwartet - gespickt mit Lutz Hartmanns sarkastischen Bemerkungen. Parallel zu Wagners Ausführungen über den Ring des Nibelungen und den daraus resultierenden Zusammenhängen mit den bisherigen vier Opfern wurde Lutz Hartmann allerdings immer stiller. Seine sonst so glatt wirkende Stirn durchzogen tiefe Falten, während die Augenbrauen so weit in Richtung Haaransatz wanderten, dass die Stirn nur noch aus einem schmalen faltigen Streifen zu bestehen schien. Diese eigenartige Mimik irritierte Wagner derart, dass er Mühe hatte, sich auf seinen Vortrag zu konzentrieren.
Das lange Schweigen seines Chefs am Ende seiner Ausführungen stimmte Wagner nicht wirklich zuversichtlicher.
Irgendwann lehnte sich Hartmann über seinen Schreibtisch herüber und starrte Hauptkommissar Wagner tief in die Augen.
„Und das hat sich dein krankes Hirn ganz alleine ausgedacht?“ „Ehrlich gesagt kam der Anstoß von der Dame, die du kürzlich so uncharmant aus meinem Büro geworfen hast, Lutz. Es hätte sich sicher gelohnt, ihr genauer zuzuhören. Es ist das Einzige, was wir bis dato haben. Wenn du länger darüber nachdenkst, ist es weniger absurd, als es im ersten Moment erscheint.“ Hartmann grinste. „Die Lady hat dir doch nicht etwa deinen hübschen Kopf verdreht, Theo? Du scheinst ja ganz besonders genau zugehört zu haben.“ Gerade wollte Hauptkommissar Wagner etwas zu seiner Verteidigung vorbringen, als sein Chef ihn ruppig unterbrach. „Diese Theorie ist nicht schlecht, Theo. Einleuchtend. Aber bitte… glaube nicht, dass ich blöder bin als du selbst es bist!“ Wagner sah seinem Chef fest in die Augen und harrte aus wie eine Katze kurz vor dem entscheidenden Sprung.
„Lassen wir die Spielchen, Theo! Es ist die einzig brauchbare Spur. Du musst einen Grund dafür haben, dass du dich zu diesem Zeitpunkt schon mit… ähm… deiner Theorie an mich heranwagst. Also, ich bin ganz Ohr. Was willst du?“ „Eine Pressekonferenz, Lutz. Sprich mit der Staatsanwaltschaft und überzeuge sie von meiner Theorie. Überrede sie zu einer Pressekonferenz, in der du die Morde im Zusammenhang mit dem Ring des Nibelungen darstellst. Wir sollten den
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