Der Ring des Todes - ein Wagner Krimi
stand unübersehbar: Vater unbekannt. Mit diesem deutlichen Makel musste er leben! Der Bastard!
Seine Mutter hatte sich seinetwegen so sehr geschämt, dass sie sich schließlich umgebracht hatte. Die feige Hure! Sein Großvater dagegen war aus anderem Holz geschnitzt gewesen
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Der hatte sich nicht so leicht etwas gefallen lassen! Stets pflegte er zu sagen: „Albert, das Leben wird dir niemals etwas schenken. Du musst es dir schon selbst holen!“
Eine der wenigen wirklich hilfreichen Lebensweisheiten seines Großvaters, die bis heute in sein Gehirn wie in Stein gemeißelt war
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Allerdings erfuhr der Mann erst sehr viel später, wie ernst dem Großvater diese Weisheit tatsächlich gewesen war. Der Großvater starb lange bevor der Mann volljährig wurde
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Mit einundzwanzig schließlich trat er das Erbe seiner Großeltern an. Er hatte nur das Haus geerbt. Dieses verhasste Haus, in dem der Mann seine früheste Kindheit in der Obhut seiner Großeltern verbringen musste. Zunächst dachte er daran, es auf der Stelle zu verkaufen. Als er jedoch das enorme Potenzial des alten Anwesens entdeckte, kam er von diesem Vorhaben schnell wieder ab. Seine Pläne für den aufwendigen Kellerumbau standen binnen kürzester Zeit bis ins kleinste Detail fest. Natürlich war ihm klar, dass er sich hierbei nur auf sich selbst verlassen konnte. Er musste es alleine schaffen
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Während der ersten Arbeiten im Keller stieß der Mann in den Wänden auf nachlässig mit Sperrholz verborgene Hohlräume. Darin fand er nach und nach bündelweise Geldscheine
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Gleich nach dem zufälligen Fund des ersten Verstecks begann er akribisch die Wände abzusuchen, in der vagen Hoffnung, seinen Großvater richtig einzuschätzen
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Der war schon zu Lebzeiten ein ebenso vorsichtiger wie geiziger Mensch gewesen
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Der Großvater hatte seinen Schatz nicht an einer einzigen Stelle platziert, sondern über den ganzen Keller verteilt. In einem der Hohlräume lag außerdem ein vergilbtes Notizbuch, in dem der Großvater genaue Aufzeichnungen über Daten und Bezüge festhielt
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Es war offensichtlich, dass der Großvater regelmäßig gleich hohe Beträge in bar von einer nicht näher bezeichneten Person erhalten hatte. Hatte der Großvater den Schänder seiner Tochter erpresst? Oder vielleicht jemand anderen?
Schlussendlich kümmerte es den Mann aber nicht weiter, woher das viele Geld kam. Dies war jetzt sein Haus, ergo war das Geld ebenfalls sein Eigentum, woher auch immer diese 220.000 Mark gekommen sein mochten. Das war ein Spaß gewesen bei der Euro-Umstellung. So unauffällig wie möglich hatte er peu à peu die enorme Menge Geldscheine umgetauscht. Der alte Hurenbock hatte gewiss einen größeren Teil des Geldes bereits versoffen und mit billigen Weibern durchgebracht, während die Großmutter und Albert selbst von seinem dürftigen Einkommen als Musiklehrer leben mussten
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Der Mann schlug mit voller Wucht gegen den roten Sandsack inmitten des Raums. Unter der Härte des Schlages begann dieser zu pendeln. Der Mann begann zu boxen. Mit kräftigen Schlägen bearbeitete er den Sack, oder waren es vielmehr Großvater, Vater, Mutter, die er da schlug? Es spielte keine Rolle mehr. Nun gehörte alles ihm
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Er war aus ihrem Schatten hervorgetreten und hatte etwas geschaffen, zu dem keiner dieser Wichte jemals fähig gewesen wäre
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Keuchend schlug der Mann auf seinen Gegner ein. Der Schweiß ließ seinen muskulösen Oberkörper im fahlen Licht der Glühbirnen glänzen. Er würde wie üblich erst dann aufhören, wenn der Bund seiner Jogginghose vom heruntergelaufenen Schweiß völlig durchnässt war
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Was hatte der Bulle heute Mittag im Fernsehen während dieser lächerlichen Pressekonferenz gleich wieder gesagt? „Der Täter leidet an einer tiefen Persönlichkeitsstörung und ist höchstwahrscheinlich nicht zurechnungsfähig.“ Mit aller Kraft trat der Mann gegen den Sandsack. Sein gellender Schrei hallte im alten Steingemäuer des Kellers wider. „Ich werde deine Persönlichkeit stören, du kleiner Pisser!“ Die Stimme des Mannes überschlug sich. „Nein! Spalten werde ich dich! Deinen Körper, deine Persönlichkeit, deine lausige Existenz! Du Scheißkerl! Warte nur, bis ich mit Wallhall fertig bin! Dann habe ich Zeit für dich jämmerliche Kreatur! Das mache ich im Vorbeigehen! Du mieses Stück Scheiße!“ Mit jedem Satz versetzte der Mann dem Sandsack einen weiteren Hieb. Abrupt stoppte er. Mit hängenden Schultern stand er neben dem pendelnden
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