Der Ring von Ikribu
Kampf gegen Trugbilder gefallen waren. Ihr schien, die Überreste von Olins eigenen Truppen hatten sich um das große Zelt ihres Feldherrn auf einer steil aufragenden Erhebung geschart. Und um diesen Kern, wie die Naben eines Rades, lagerten die Söldnerregimente der verschiedensten Größen. Der wolkenbruchartige Regen hatte offenbar auch hier seinen Zoll gefordert, denn überall bauten Soldaten eingestürzte Zelte neu auf und hoben Gräben aus, um das Wasser, das sich zu Tümpeln gesammelt hatte, abzuleiten, damit sich keine Krankheiten davon ausbreiteten.
Allas salutierte vor einem Vorgesetzten, als er mit seinem kleinen Trupp ins Lager ritt. Der Offizier grüßte zurück und erteilte einem Mann neben sich Anweisungen, der daraufhin sofort losgaloppierte. Vermutlich, um Lord Olin wissen zu lassen, dass neue Söldner ankamen. Ziemlich weit noch im Osten erspähte Sonja einen weiteren Reitertrupp gemächlich näher kommen – zweifellos ebenfalls neue Rekruten.
Arbeitende Soldaten winkten Allas freundschaftlich zu. Er ritt mit seinen Leuten zu den Zelten, die etwas höher auf dem Hügel standen. Einige Söldner hielten in ihrer Beschäftigung kurz an, um die Neuankömmlinge zu mustern. Sie beschirmten die Augen, blinzelten und brüllten erfreut, wenn sie alte Kameraden unter der Schar aus Izaks Herberge entdeckten, oder fluchten, wenn sie einen alten Gegner unter ihnen sahen.
Bis Allas Lord Olins Zelt erreichte, waren nur noch Sonja und Som bei ihm, die anderen hatten sich nach und nach einzeln oder zu zweien und dreien ihren sie willkommen heißenden alten Kameraden angeschlossen.
»Wie viele konntest du anwerben?« erkundigte sich Lord Olin, nachdem er den Jungmann begrüßt hatte. »Ich sah nur eine Handvoll, als ihr ins Lager geritten kamt.«
»Sechsundzwanzig, mein Lord.« Allas’ Stimme klang entschuldigend.
Olin betrachtete Sonja. »Und darunter eine Frau.«
»Ja – eine Frau.«
Olin lächelte. »Willkommen, Schwertkämpferin. Wie heißt Ihr?«
»Man nennt mich Rote Sonja. Ich bin aus Hyrkanien.«
Olin nickte sichtlich zufrieden. »Hyrkanien – eine Nation von Kriegern.«
Sonja schätzte ihn als mächtigen Mann ein. Sie hatte, was ihn betraf, zunächst, ihre Bedenken gehabt, weil er aus seiner Stadt geflohen war und sie dem Feind überlassen hatte. Aber der Eindruck, den er auf sie machte, war der eines starken, fähigen Mannes, eines geborenen Führers und nicht so leicht zu bezwingenden Kämpfers. Er war hochgewachsen, mit kräftigen Muskeln, breiten Schultern, die sein Wams und die leichte Rüstung schier zu sprengen drohten. Ein gut gepflegter Vollbart und Schnurrbart betonten den edlen Schnitt seines dunkelhäutigen und einnehmenden Gesichts. Seine tiefen, schwarzen Augen wirkten ernst, aber klug – und (wie es Sonja plötzlich schien) es brannten Feuer in ihnen, die eine innere, persönliche Unruhe verrieten, wie sie manchmal auch in ihren eigenen schwelten.
Sie empfand sogleich eine Wesensverwandtschaft mit diesem Mann, sie, die Fremde schnell und richtig beurteilen musste, wollte sie nicht Schaden davontragen. Sie hatte einen untrüglichen Sinn entwickelt für innere Werte und Anständigkeit bei Menschen, die sie zum ersten Mal sah. Und empfand sie bei diesem Mann eine Wesensverwandtschaft, so spürte sie bei anderen, ob sie Schurken oder Helden, würdig oder unwürdig waren und ob man ihnen trauen konnte, oder man sich lieber nicht mit ihnen abgab.
Vor Lord Olin empfand sie sofortige Hochachtung und ein großes Mitgefühl für seine Notlage. Gefühle erwachten in ihr, die sie bisher nicht für möglich gehalten hätte.
Olin streckte ihr die Hand entgegen. »Willkommen, willkommen!«
Und Sonja nahm sie, schüttelte sie und hielt sie so fest, als wäre sie mit Olin ebenbürtig. Irgendwie erkannte sie in diesem Augenblick, dass die größten Befehlshaber sich nicht für besser halten als die neuesten ihrer Anhänger.
»Und wer ist das?« fragte Olin.
»Ich bin Som, Lord Olin.«
»Bei Mitra, Som, ich würde meinen, Ihr seid nicht ein Mann, sondern eher wie drei Männer zugleich!«
Der Feldherr schüttelte auch Soms Hand, dann wandte er sich wieder seinem jungen Anwerber zu. »Ich weiß, dass du mir einen guten Trupp mitgebracht hast, Allas. Ich wünschte nur, er wäre größer. Ich harte mit mehr Männern gerechnet.«
»Ich weiß, mein Lord. Der Sturm überschwemmte mich schier, und als ich Zuflucht in einer Herberge fand, tat ich mein Bestes, alle Männer dort anzuwerben. Die
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