Der Ring
…«
Gehen wir.
Die Sache läuft gegen uns.
Martha stand auf. »Auf Wiedersehen, Dr. Cahill.«
Erst auf den dämmrigen Straßen der Wohnanlagen, wo allmählich die Lichter angingen, konnte Redd wieder klar denken. Ihr ganzes Leben lang hatte sie dafür geschuftet, eines Tages am Institut zu arbeiten, und seit Jahren fühlte sie sich hier wie zu Hause. Doch jetzt türmten sich die Gebäude bedrohlich und undurchschaubar vor ihr auf – Dr. Cahills Verhalten hatte sie misstrauisch gemacht.
Schauen wir noch bei Nicholas vorbei, schlug Martha vor.
Rachel schüttelte den Kopf. Der hat keine Zeit, so kurz vor den Semesterprüfungen.
Ich glaube, für uns hat er schon Zeit.
Ein Funken Erregung verscheuchte die unguten Gefühle. Redd hatte Nicholas im Wirtschaftsunterricht kennengelernt; er hatte ihr ein schwieriges Kapitel über den Kapitalismus vor der Singularität erläutert, sie hatte ihm bei seinem Pflichtkurs in Biologie geholfen. Eigentlich hätten sie es jeweils auch allein geschafft, aber so hatten sie wenigstens einen guten Grund gehabt, öfter mal zusammen einen Kaffee trinken zu gehen. Sie waren schon seit einem Jahr zusammen.
Nicholas war zu drei Vierteln männlich, zu einem Viertel weiblich und zu vier Vierteln attraktiv. Als sie an seine Tür klopfte, lächelte er. »Ich sitze noch an meiner Hausarbeit. Aber eigentlich bin ich fast fertig.«
»Dann solltest du mal Pause machen«, meinte Martha. »Wir brauchen nämlich auch mal eine Pause.«
Nicholas grinste.
Zu acht in das winzige Apartment gedrängt, vermischten sich ihre Gedanken zwangsläufig. Wären sie weniger vertraut miteinander gewesen, hätten sie Platzangst bekommen, aber so war es eigentlich sehr gemütlich. Bevor sie die Betten aus den Wänden klappen konnten, mussten sie Nicholas’ Kram beiseiteräumen.
Es war schön, die Arbeit für eine Stunde zu vergessen.
»Warum bist du eigentlich nicht im Labor?«, fragte Nicholas danach, während einer von ihm aufstand, um etwas Luft in den stickigen Raum zu lassen. Auf den Betten lagerten sechs schweißnasse Körper.
Vivians Stimme kam aus der Toilette. »Wegen Khalid!« Sie spülte herunter.
»Hätten wir uns eigentlich denken können.« Nicholas schüttelte den Kopf. »Khalid, Khalid, Khalid. Am Anfang dachten wir schon, ihr wärt zusammen.« Er registrierte den heftigen Ärger, der zwischen Redd hin und her zischte. »War nicht so gemeint.«
Sie nickte.
Bin ich froh, dass er nicht nur aus Männern besteht, meinte Scarlet, besonders angesichts der Tatsache, dass Khalid rein männlich war.
»Ich weiß«, sagte Martha. »Aber Khalid ist einfach … unerträglich.«
»Eigentlich können wir Wirtschaftswissenschaftler von Glück sagen, dass wir nicht auch noch die Taschenrechner miteinander teilen müssen. Ich finde, sie sollten euch Genetikern mal ein paar neue Genspleißer spendieren.«
Nicholas – das heißt, sein weiblicher Bestandteil – holte Wasser aus dem Kühlschrank, aber während sie die Zwei-Liter-Flasche kreisen ließen, alberten sie so viel herum, dass die Hälfte auf den Laken landete.
»Khalid arbeitet an einem Quintett«, erklärte Martha schließlich.
»Ist das nicht illegal?«
»Und wie! Das ist ja das Problem.«
»Na ja, warum gehst du dann nicht zum Dekan?«
»Wir waren schon bei Cahill. Sie hat gesagt, sie sei darüber informiert.«
»Dann ist die Sache doch erledigt.«
»Nein, ist sie eben nicht. Das wäre doch eine Sensation, wenn das Institut offiziell an Quintetten arbeiten dürfte! Das hätte man doch mitbekommen!«
»Wir Wirtschaftswissenschaftler nicht, fürchte ich.«
»Also in unseren Kreisen wäre es die Neuigkeit des Tages gewesen. Ich meine, schließlich ist das unser eigener Fachbereich! Wir hätten auf jeden Fall davon gehört.«
Nicholas runzelte die Stirn. »Ja, wahrscheinlich. Aber wenn Cahill sagt, dass …«
»Wir wissen einfach nicht, was wir davon halten sollen. Vielleicht handelt der Fachbereich ja ohne offizielle Erlaubnis. Vielleicht hoffen sie, damit irgendwie durchzukommen. Und wenn das Quintett erst mal da ist, ist es sowieso zu spät.«
»Aber wäre das denn so schlimm? Ein Pod mit einem zusätzlichen Mitglied?«
»Hör mal, ein Quintett wäre anders, ganz anders. Erhöhter Pheromondurchsatz, stärker ausgeprägte Neigung zum Konsens …«
»Und wenn es sich gar nicht zum Quintett formt? Es könnte beispielsweise ja auch auf ein Trio und ein Duo hinauslaufen, oder nicht?«
»Sicher. Aber Khalid arbeitet eindeutig an
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