Der Ring
Augenbrauen zusammen, überrascht von dem plötzlichen Themenwechsel.
Die dachte, wir winseln gleich um Gnade.
»Zum Teil, ja.«
»Zu fünfundneunzig Prozent, um genau zu sein, zumindest laut Budget vom letzten Jahr. Glauben Sie wirklich, dass es unserer Laufbahn schaden würde, wenn ich unseren Auftraggeber über die Aktivitäten des Instituts informiere?«
»Dieses Projekt wird nicht vom OG finanziert!«
Erwischt!
»Welches Projekt? Und wer finanziert es dann?«
Alle drei von Cahill standen auf. »Denken Sie an unsere Worte. Es wäre doch schade um Ihre Karriere.«
Redd ging zur Tür, drehte sich aber noch einmal um. »Machen Sie sich mal keine Sorgen um uns oder unsere Karriere. Denken Sie lieber an Ihre eigene Karriere.«
Nachmittags im Labor trug Redd ihren Studenten simple Wartungsarbeiten auf, um sich in Ruhe in den Konsens zurückziehen zu können. Zehn Jahre nach dem Exodus war die Welt nicht besonders kompliziert: Das Overgovernment finanzierte sämtliche Aktivitäten. Privatunternehmen waren nicht erlaubt, abgesehen von ein paar Firmen, die vom OG gestützt wurden und teils miteinander konkurrierten. »Notstandssozialismus mit pseudokapitalistischen Tendenzen«, hatte Nicholas dazu gesagt. »Auf Dauer kann das nicht gutgehen, aber im Moment fällt keinem was Besseres ein. Und Pods sind sowieso geborene Sozialisten.«
Also, wer sollte in Khalids Quinärforschung investieren, wenn nicht das Eugenikministerium? Redd wurde einfach nicht schlau daraus. Die Singleton-Enklaven? Völlig ausgeschlossen. Eine andere wissenschaftliche Institution? Aber andere Wissenschaftler würden den Ruhm doch lieber selbst einheimsen, oder? Die Geschichte ergab schlicht keinen Sinn.
An diesem Tag machte sie früher Schluss, um Khalid in seinem Apartment zu besuchen. Sie kannte den Weg, denn vor längerer Zeit, als sie gemeinsam Zwischenprüfungen benoten mussten, war sie schon einmal bei ihm gewesen.
Khalid öffnete im Schlafanzug. »Was willst du hier? Cahill hat dir doch gezeigt, wo’s langgeht.«
»Wer finanziert deine Forschungen?«
»Das wüsstest du wohl gern.«
Lock ihn aus der Reserve.
»Woher hast du die Gensequenz? Das hast du dir nie im Leben selbst ausgedacht. Dafür reicht es bei dir nicht.«
Sein Arm zuckte, als hätte er ihr am liebsten gleich die Tür vor der Nase zugeschlagen. Aber er riss sich zusammen. »Du bist doch nur neidisch. Du fragst dich, warum sie uns genommen haben und nicht dich. Tja, denk mal scharf nach.«
»Nein, nein, ich weiß schon, warum sie dich genommen haben. Weil sie wussten, dass du den Mund halten würdest. Weil dein Sinn für Moral weniger ausgeprägt ist.«
»Schwachsinn. Wir sind einfach besser.«
»Nein. Du bist schwach. Ein willenloses Werkzeug.«
Khalid zuckte zurück.
»Woher hast du die Sequenz? Wer finanziert das Projekt?«
»Verpiss dich!« Jetzt schlug er die Tür tatsächlich zu.
Das ist ja super gelaufen, sandte Scarlet.
Zurück im Apartment, überprüfte sie die Arbeit der Datenspürhunde, die sie am Morgen losgelassen hatte – nichts, keine Spur von ernsthafter Quinärforschung. Die ganze Ausbeute beschränkte sich auf zwei Blogeinträge, die sich auf ihre eigene Nachricht im Forum bezogen. Die harmlose Frage hatte sich zu einem schwarzen Loch entwickelt, das immer mehr Datenpartikel in Richtung Ereignishorizont zerrte.
Als sie bei Nicholas anklingelte, erklärte dessen Avatar, er sei mit Kollegen essen gegangen. Ob sie eine Nachricht hinterlassen wolle?
Im selben Moment erschien Nicholas’ Interface auf dem Bildschirm. »Hey, Redd! Wir sind noch ein Bier trinken gegangen.«
»Wo?«
»Im Oswald’s.« Er verzog den Mund. »Aber ich glaube, die haben ihre Bierbeeren zu früh gepflückt. Das Zeug ist verdammt sauer.«
Martha musste lächeln. »Was dir aber nichts auszumachen scheint.«
»Wo du Recht hast, hast du Recht. Ach ja, was gibt’s?«
»Nichts Besonderes. Das heißt, wir hätten da eine wirtschaftliche Frage …«
Er lachte. »Eine wirtschaftliche Frage? Wie ungewöhnlich! Vor wirtschaftlichen Fragestellungen verschließt man heutzutage eigentlich lieber die Augen …«
»Im Ernst: Wer ist heute noch so richtig reich? Ich meine, wer könnte sich ein richtig teures Forschungsprojekt leisten?«
»Warum? Brauchst du ein Stipendium?«
»So was in der Art.«
»Na ja, dann würde ich’s beim OG versuchen.«
»Und abgesehen vom OG?«
Nicholas blickte zur Seite, anscheinend in Beratungen mit sich selbst vertieft. »Also«, fing er
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