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Der Ring

Der Ring

Titel: Der Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Melko
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Oberfläche.
    Rasch berechnet Quant unsere jeweilige Hautoberfläche. Wie erwartet, ist sie bei Strom am größten, aber längst nicht um das Doppelte größer als bei uns anderen.
    Als sich Manuel ins Netz einloggt, stoßen wir einen kollektiven Seufzer der Erleichterung aus. Wir wissen nicht, was uns mehr gefehlt hat, eine richtige Dusche oder der Zugang zum Netz. Auf der Startseite unseres Accounts wird unser Kontostand angezeigt – die Arbeitseinheiten, mit denen wir zum Wohl der Podgesellschaft beigetragen haben. Da wir uns seit Monaten mit Singleton-Scrip behelfen, wissen wir überhaupt nicht, was uns erwartet.
    Da stimmt was nicht, sendet Quant.
    Das Einkommen eines Studenten ist so gestaffelt, dass es stets knapp über dem Existenzminimum liegt; ein magerer Betrag, den wir durch die Sommerarbeit auf Mother Redds Farm um ein paar Prozentpunkte aufbessern konnten. Jetzt hat sich unser Guthaben vervielfacht, auf eine Unsumme an Arbeitseinheiten, für die wir normalerweise zehn Jahre hätten schuften müssen.
    Meda reißt die Tür auf und ruft herunter zu Mother Redd. »Wir sind reich! Wie das?«
    »Eure Kündigung wurde abgelehnt!«, kommt die Antwort aus der Küche, gefolgt vom Duft köchelnder Tomatensoße.
    Oh.
    Sofort rechnet Quant nach: Unsere tägliche Rate an Arbeitseinheiten ist unfassbar hoch.
    Ich glaube, die wollen uns bestechen, meint Manuel.
    Da hat sich das Rumgerenne im Dschungel ja richtig gelohnt.
    Wir sollten es spenden, schlägt Moira vor, aber das kann nicht mal sie ernst meinen.
    Nein, wir sollten es in Scrip umtauschen, sagt Strom, wie immer sachlich und vernünftig. Oder in Gold. Man kann nie wissen.
    Unterdessen ist Manuel schon wieder im Netz unterwegs, auf der Suche nach den neuesten Nachrichten. Mal schauen, wie es der Consensus geht.
    Nein, sendet Quant schnell. Ich will es gar nicht wissen.
    Doch, schau nach, meint Meda.
    Einen raschen Konsens später sucht Manuel nach Meldungen über die Consensus . Auf eine kurze Mitteilung über Elliotts Beförderung zum Captain folgt ein Artikel über Einschnitte im Budget des Raumfahrtprogramms: Nach Diskussionen über die Kosten des Antimaterieantriebs wurde der Start noch weiter nach hinten verschoben.
    Strom runzelt die Stirn. Vielleicht ein Angriff aus dem Anti-Community-Lager?
    Vielleicht, vielleicht auch nicht. Wir können gar nicht anders, als pausenlos zu spekulieren. Plötzlich erscheint jede Nachricht in einem völlig neuen Licht, egal ob es um Resolutionen zur Behebung von Missständen in Singleton-Enklaven oder um die Wiederbevölkerung Kaliforniens geht. Hinter allem und jedem vermuten wir nebulöse Kräfte, verfeindete Fraktionen, die um die Weltherrschaft ringen. Wir fühlen uns, als wären wir aus einem lebenslangen Schlaf erwacht.
    Aber jetzt gibt es erst mal Abendessen.
    Auf der Treppe rückt Quant ein Bild gerade, ein Foto von uns und unseren Enten bei dem Wettbewerb vor vielen Jahren. Als wir vor dem Fotografen posierten, wollten die Enten alle auf einmal auf Stroms Füße klettern.
    Wir ahnen jede knarrende Stufe voraus – die siebte, die dritte. Im Flur werfen wir einen Blick ins Wohnzimmer; das Puzzle, das wir vor unserem Abschied angefangen hatten, ist immer noch auf dem Ecktisch ausgebreitet.
    Wehmut überwältigt uns.
    Wir haben ihr wehgetan, sendet Strom.
    Ja.
    Wir haben keine Mutter, Pods haben keine Mütter. Egal, ob wir in künstlichen oder natürlichen Uteri gezüchtet werden, danach kommen wir so oder so in die Krippe, damit wir nicht auf eine Mutter oder einen Vater, sondern aufeinander geprägt werden. Mother Redd ist eine Mentorin, eine Lehrerin, mehr nicht. Trotzdem haben wir ihr das Herz gebrochen, als wir einfach so von Columbus Station abgehauen sind.
    Von Manuel kommt ein sanfter Widerspruch. Wir sind ihr Job. Khalid hat ihr einen Job angeboten, sie hat angenommen.
    Meda schüttelt den Kopf. Sie hat ihren Namen geändert. Für ihren »Job«.
    Und wenn Scarlet überlebt hätte? Hätte sie sich dann auch um uns gekümmert?
    Nein, sendet Moira, dann hätte sie selbst weitergeforscht.
    Aber jetzt ist es mehr als ein Job für sie, meint Meda.
    Strom hat das letzte Wort: Sie hat uns lieb. Der Konsens ist so überwältigend, dass Manuel nur noch nicken kann.
    In der Küche riecht es nach Zwiebeln, Knoblauch, Basilikum und Thymian, vermischt mit passierten Tomaten. Sämtliche Zutaten stammen aus Mother Redds Garten oder Gewächshaus, und nicht nur das – wahrscheinlich basieren sie auch alle auf ihren eigenen

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