Der Ring
Gendesigns.
»Können wir noch was helfen?«, fragt Meda.
»Ihr könnt essen helfen.« Mother Redd deutet auf die beiden großen Töpfe mit selbst gemachter Pasta auf dem Herd.
Moira grinst. Einer für Strom, einer für den Rest.
Nein, anderthalb für mich, meint Strom.
Beim Essen ist alles wie früher. Wir plaudern über die Arbeit auf der Farm und im Labor, die schwierigen Themen bleiben außen vor. Niemand hat Lust, über Malcolm Leto oder Dr. Baker zu sprechen. Wir gönnen uns einen Moment Frieden.
Am nächsten Tag schlafen wir aus. Wer aufwacht, döst weiter vor sich hin; solange eine oder einer schläft, können wir durch unsere Träume segeln, durch die surreale Landschaft unseres Innenlebens.
Als wir ein Aircar surren hören, klettert Manuel aus dem Fenster, um vom Dach aus einen Blick auf den Landeplatz zu werfen. Paranoia überflutet uns wie eine Welle.
»Dr. Khalid!«, ruft er nach einer Weile, klettert wieder herunter und streckt eine Hand ins Zimmer, damit wir einen Konsens eingehen können.
Dr. Khalid. Der Name ruft uns unseren kurzen Einblick in Mother Redds Erinnerungen ins Gedächtnis, die nun Teil unserer eigenen Erinnerungen geworden sind. Seit wir denken können, ist Khalid unser Arzt. Nein, unterbricht Manuel, ich hatte früher einen anderen Arzt. Auf jeden Fall hat er uns immer Zuckerstangen mitgebracht, selbst als wir eigentlich schon viel zu groß für Süßigkeiten waren.
Doch unser altes Bild von ihm hat Risse bekommen. Jetzt sehen wir ihn durch Mother Redds Augen – wir sehen einen weniger brillanten, von Neid und Missgunst zerfressenen Menschen. Ein Zerrbild seiner früheren Persönlichkeit.
Aber er hat sich nicht verändert. Nur unsere Wahrnehmung von ihm hat sich verändert. Hinter Moiras Mahnung steht so wenig Überzeugung, dass sich unser Standpunkt nur noch weiter verfestigt.
Er will zu uns, sendet Manuel von draußen. Er hat Stroms linke Hand gefasst, dessen Rechte wiederum Medas und Moiras Handgelenke berührt; er befindet sich also nicht in unserem Kreis, sondern hängt über uns wie ein Henkel. Bei Strom, dem dreifachen Knotenpunkt, verwirren und verdrehen sich die Gedanken.
Irgendwann hat Strom genug davon. Komm rein, Manuel.
Im Kreis fällt uns das Denken am leichtesten. Wir stellen uns in der üblichen Reihenfolge auf: Moira, Strom, Quant, Manuel, Meda. So fließen die Ideen am besten in beide Richtungen, auch wenn wir manchmal Plätze tauschen oder sogar ein Mitglied vorübergehend ausschließen, um zu alternativen Schlüssen zu gelangen. Allerdings strengt uns der Konsens dann deutlich mehr an.
Als Manuel in den Kreis tritt, nehmen unsere Überlegungen ihren Lauf. Seit unserer »Geburt« – unserer ersten mentalen und physischen Vereinigung – kennen wir Khalid als unseren Arzt. Doch gleichzeitig ist er Mother Redds Erzfeind gewesen, ja, er hat sogar den Tod eines Teils von ihr verschuldet.
Manuel schüttelt den Kopf. Wir können nicht wissen, ob er wirklich was damit zu tun hatte.
Hätte er nicht gegen die Vorschriften des Eugenikministeriums verstoßen, wäre es nie so weit gekommen, erwidert Moira.
Aber er konnte doch nicht wissen, dass sie gleich so reagieren würden!
Das lässt Strom nicht gelten. Weil er die Regeln gebrochen hat, ist ein Teil von Mother Redd gestorben. Punkt.
Der Konsens heizt sich immer weiter auf, schneller als sonst.
Fahrlässige Beihilfe zum Mord, meint Manuel, wenn überhaupt. Es war ja nicht mal Plurizid. Mother Redd hat überlebt.
»Wie kannst du so was nur sagen!«, ruft Quant laut, ein klarer Verstoß gegen die Regeln des Konsens. »Wir haben doch mit eigenen Augen gesehen, wie Scarlet gestorben ist!«
Manuel lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Genau. Und ohne Scarlets Tod gäbe es heute keine Mother Redd.
Meda nickt. Sie hat sich immer um uns gekümmert.
Der Zweck darf nicht die Mittel heiligen!, sendet Moira.
Behaupte ich doch gar nicht, erwidert Manuel. Aber Khalid hat nun mal im Dienste der Wissenschaft gehandelt.
Strom meldet sich leise und vorsichtig. Und wir haben im Dienste der Wissenschaft nach den Bären gesucht.
Wodurch letztendlich Dr. Baker gestorben ist!, fährt Quant fort. Also haben auch wir einen Menschen auf dem Gewissen. Genau wie Khalid. Als die Schlussfolgerung durch Moiras Geist fließt, zuckt sie zusammen.
»Kind!«, kommt Mother Redds Stimme vom Fuß der Treppe. »Khalid ist da!«
Der Konsens bricht ab, als Manuel sich losreißt, zur Tür schleicht und lauscht. Alle hören das
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