Der Ring
Gemurmel, das aus dem Erdgeschoss nach oben dringt: ein Lachen, ein beiläufiger Scherz, wie bei einem Besuch unter alten Freunden. Da seht ihr’s!, sendet er.
Strom stößt einen Schwall Wutpheromone aus, ohne etwas zu sagen, während Manuel schon zur Treppe geht, gefolgt vom Rest des Pods. Wir haben keine Zeit mehr, uns über unsere neue Beziehung zu Khalid klarzuwerden.
Noch bevor wir unten sind, drehen sich alle vier von Khalid um und lächeln uns entgegen. Zu drei Vierteln besteht er aus eineiigen Drillingen mit schwarzem Haar und leicht gekrümmtem Rücken, der Vierte ist deutlich größer und dunkelhäutig. Seit unserer letzten Begegnung scheinen seine tiefen, schwarzen Augen um einige Jahre gealtert zu sein.
»Wieder da, wie ich sehe«, sagt er. »Wurde ja auch Zeit.«
Arroganter Arsch, meint Quant.
Manuel schüttelt den Kopf. Das war nicht so gemeint.
»Ja«, antworten wir neutral, »es ist schön, wieder daheim zu sein.«
»Ich wollte dich nur kurz durchchecken. Ich muss doch mal nach meinem besten Quintett schauen.«
Nein!, ruft Quant, und wir alle spüren, wie sie innerlich zusammenzuckt. Sogar Manuel bekommt eine Gänsehaut, was Dr. Khalid nicht entgeht. »Heute nicht, Doktor«, sagt Meda.
»Apollo!« Mother Redd wird laut. »Khalid hat eine lange Reise auf sich genommen, um nach dir zu schauen.«
Dann hätte er vorher anrufen sollen, sendet Quant.
Meda lächelt entschuldigend. »Wir sind heute nicht ganz auf dem Damm.«
»Kein Wunder«, erwidert Khalid. »Wenn man sich erst im Dschungel und dann in den Bergen herumtreibt, und das monatelang … Du bist übrigens ganz schön abgemagert.«
Als wir unseren Körperumfang mit dem Zustand von vor einem Jahr vergleichen, stellen wir fest, dass er vollkommen Recht hat – alle sind schlanker, drahtiger, kräftiger geworden, selbst Strom, der an Schultern und Beinen an Muskeln zugelegt hat. Aber mit unserem Stoffwechsel, den wir täglich im Auge behalten, gibt es keine Probleme. Abgesehen von Moiras Infektion waren wir nicht mal krank.
Khalid lässt Meda nicht zu Wort kommen. »Ich will nur sichergehen, dass alles in Ordnung ist. Damit ich wieder ruhig schlafen kann.«
Er manipuliert uns, meint Quant.
Trotzdem nicken wir. »Okay.«
Gemeinsam gehen wir in den größten der angrenzenden Laborräume, wo es genug Sitzplätze für alle gibt.
Nur Khalid bleibt stehen. »Warum so nervös, Apollo?«, fragt er mit einem Seitenblick auf Quant.
Meda schüttelt den Kopf. »Wir sind nicht nervös. Wir sind nur erschöpft von der langen Reise.« Doch über das Bild des freundlichen älteren Herrn, den wir von klein auf kennen, hat sich längst sein jüngeres, boshaftes Ich gelegt.
»Also, checken wir dich mal kurz durch. Nur das Nötigste.«
Nein! Quant weicht zurück, und Strom legt ihr eine Hand auf die Schulter. Sag was!, kreischt sie.
Meda räuspert sich. »Mother Redd hat uns erzählt, wie … wie ein Teil von ihr gestorben ist. Das müssen wir erst mal verkraften. Ach ja, sie hat uns auch erzählt, woher unsere DNA stammt.«
Alle vier von Khalid erstarren. »Das hat sie euch erzählt?«
»Ja. Dass die Ring-KI unser Design geliefert hat. Dr. Baker hatte auch schon etwas in der Richtung erwähnt.«
Als sich Khalid in den Konsens zurückzieht, entlädt sich Quants Panik in einer Gedankenlawine. Sie stürzt nach vorne und packt seine Hand. Wir alle wissen, was sie vorhat.
Nein!, schreit Moira, doch Quant ignoriert ihre Vetopheromone. Strom muss sie mit Gewalt nach hinten reißen, während uns Khalid schockiert anstarrt.
Weiß er, wozu wir fähig sind?
Nein.
Quants Gedanken umgeben sie wie eine Gewitterwolke, als sie sich in Stroms Arme sinken lässt. Er war da, er war da, als Scarlet gestorben ist, kommt es kaum hörbar aus ihrer Richtung.
In einer einzigen Bewegung weichen wir zurück, sämtliche Augen auf Khalid gerichtet.
»Was war das eben? Ist alles in Ordnung?«, fragt er.
Das dürfen wir nicht! Moira klingt immer verzweifelter. Das war falsch, Quant!
Geschehen ist geschehen, erwidert Quant. Wir wissen, was wir wissen.
Meda nickt. Wir können unser Wissen nicht ignorieren.
Aber wir hatten kein Recht dazu!, fleht Moira. Wir können uns nicht auf Informationen berufen, die wir unrechtmäßig erworben haben. Das wäre genauso schlimm wie eine illegale Datendurchsuchung. Auf private Daten darf nicht mal das OG zugreifen. Und die eigenen Gedanken sind ganz sicher privat!
Er hat sie getötet, meint Manuel.
Strom schüttelt den Kopf. Das
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