Der Ring
Von Colonel Krypicz wissen wir den Namen einer Kontaktperson, eines Singletons, der uns vielleicht bei der Arbeitssuche behilflich sein könnte, aber Strom hat seine Zweifel: Viele Agenten, die in die KBG eingeschleust wurden, sind entweder spurlos verschwunden oder zur Gegenseite übergelaufen. Wir können nicht ausschließen, dass auch diese Kontaktperson von Malcolm Leto oder anderen, unbekannten Kräften bestochen wurde.
Wir haben es ganz allein vom Amazonas in die Rocky Mountains geschafft, sendet Moira. Wir können es wieder allein schaffen.
Vergiss nicht die 36 000 Kilometer von GEO bis zur Erdoberfläche, meint Quant.
Manuel bleibt skeptisch. Der Kongo ist ganz anders als der Amazonas.
Beide Flüsse befinden sich außerhalb der Podgesellschaft. Wir sind wieder auf uns allein gestellt.
Wir können niemandem trauen.
Wir müssen uns einen Job möglichst weit im Landesinneren suchen.
Ja. Wenn sich Leto irgendwo hier versteckt, dann mittendrin.
In Ordnung.
Ein schneller, problemloser Konsens. Wir beschließen, unser Glück zunächst in einer der Gilden zu versuchen, die weiter flussaufwärts arbeiten. Aber im Moment sind wir vor allem müde von dem langen Flug. Also schieben wir die Betten beiseite und bauen uns ein Matratzenlager, auf dem wir bald einschlafen.
Beim Morgengrauen brüllt dröhnende Musik aus den Lautsprechern im Gemeinschaftsraum.
Das ist wohl der Rausschmeißer, murmelt Manuel.
Für ein bisschen Singleton-Scrip bekommen wir ein spärliches Frühstück aus Toast, Marmelade und Kaffee. Die anderen Gäste beäugen uns neugierig, aber nicht misstrauisch oder feindselig. An unserem Tisch sitzen vier Teenager, zwei Mädchen und zwei Jungs, alle in Latzhosen und Westen, an denen verschiedenste Verzierungen baumeln. Die tiefen Ringe unter ihren Augen zeugen von einer Leidenschaft für nächtlichen Zigaretten- und Alkoholgenuss.
Warum tun sie sich das an?, fragt Strom, während er die Tattoos betrachtet, die sich über die Hälse unserer Tischnachbarn ziehen: primitiv animierte Symbole, die seit gut fünfzig Jahren aus der Mode sind, chinesische Schriftzeichen, die sich zu immer neuen Begriffen formen.
Bei einem Pod hätte irgendwer ein Veto eingelegt, meint Manuel. Singletons können sich nicht selbst widersprechen.
»Der Konsens des Einzelnen ist stets falsch oder fehlerhaft«, zitiert Moira im Flüsterton aus den Grundlagen der Podphilosophie.
Wir wundern uns über die rauen, schwieligen Hände der Singletons, die nicht so recht zu den dunklen Augenringen dieser Nachteulenaugen passen wollen.
Egal. Frag sie nach Arbeit.
Meda wendet sich an eines der Mädchen. »Wir suchen einen Job. Weißt du, ob irgendeine Gilde gerade einstellt?«
Das andere Mädchen stößt ein grunzendes Lachen aus.
»Ihr drei«, meint einer der Jungs, »findet ganz sicher Arbeit.« Obwohl seine Augen fast hinter den langen schwarzen Haaren verschwinden, können wir uns denken, wen er meint: Meda, Moira und Quant.
Meda bleibt trotzdem ruhig. »Ich dachte eher an die KBG. Brauchen die keine Arbeiter?«
»Da müsstest du erst mal ein bisschen Kohle lockermachen«, meint das Mädchen, das eben gelacht hat, und spannt unwillkürlich ihre eindrucksvollen Oberarmmuskeln an. Wahrscheinlich hat sie mit Aufbaudrogen nachgeholfen. »Und warum sollte man noch arbeiten, wenn man eh Geld hat?«
»Wen müsste man denn da bestechen?«
»Die Gewerkschafter, die Vorarbeiter, die Bullen. Alles und jeden. Aber das ist auch keine Garantie.«
»Und wie stehen die Chancen weiter flussaufwärts?«
»Da oben wird nicht eingestellt. Die stellen hier unten ein und verschiffen ihre Trupps nach oben. Hier ist der Sklavenmarkt.«
Der Junge, der bisher geschwiegen hat, räuspert sich. Wann immer er einen Schluck Kaffee trinkt oder von seinem Toast abbeißt, klimpern die Metallringe an seinem Shirt. »Könnt ihr mit Maschinen umgehen? Oder ein Boot lenken? Oder Kisten schleppen? Sonst könnt ihr’s gleich vergessen.«
Wir können ein Raumschiff steuern.
»Sicher«, erwidert Meda. »Alles kein Problem. Wir kennen uns auch mit Biologie aus.«
Der Blick des ersten Mädchens wandert von Meda zu Moira und weiter zu den anderen. Weil sie keine Pheromone ausstößt, haben wir keine Ahnung, was sie denkt oder fühlt. Ein Schauer läuft uns über den Rücken – wie unglaublich einsam Singletons sind. »Ihr seid der erste Schwarm, der mir über den Weg läuft«, sagt sie nach einer Weile. »Ihr seid doch ein Schwarm, oder? Ihr seid nicht
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