Der Ring
fünf Menschen, sondern einer?«
»Wir sind zwei Pods. Die Jungs sind ein Pod, wir Mädels ein anderer.«
So ist es am praktischsten, meint Moira, die bei Medas Lüge nicht mal mehr zusammengezuckt ist.
»Krass«, sagt der langhaarige Junge. »Echt krass.« Er nickt Strom anerkennend zu. »Du hast zwei Schwänze.«
»Und du hast sechs Titten!«, ruft der andere.
Meda ignoriert die beiden. »Also, wo geht man hin, wenn man Arbeit sucht?«
Das erste Mädchen schaut auf die Uhr und wirft ihren beiden männlichen Begleitern einen missbilligenden Blick zu. »Kommt mit.«
Unsere neue Freundin heißt Violet, und die anderen, die sich uns wohl oder übel angeschlossen haben, nennen sich Ramone, Isis und Ferd. Violet führt uns durch die Randbezirke der Stadt, durch Gegenden, die bei unserem Anflug gestern Abend von der Dämmerung verschluckt worden waren. Fabriken aus der Zeit vor dem Exodus, teils verlassen, teils noch in Betrieb, mit nicht mehr genutzten oder mit dampfenden Schornsteinen; Stahlwerke, Raffinerien, Betonmischereien, umgeben von bergeweise Rohmaterial. Die Robotransporter, die mit fertigen Produkten beladen an uns vorbeiziehen, kennen nur eine Richtung: Osten.
So viel Zerstörung, so viel Gewalt, sendet Strom. Und wozu? Um einen Dschungel anzupflanzen.
Moira schüttelt den Kopf. Für diese Leute ist das kein Dschungel. Das ist ihr Land. Ihre Heimat.
»Von den Fabriken würde ich euch abraten«, sagt Violet. »Da gibt es jede Woche ein paar Tote. Sicherheitsvorkehrungen sind Fehlanzeige, außer man gibt den Gilden ein bisschen was vom Lohn ab.« Im Stil einer Fremdenführerin erläutert sie, wo bei den Fabriken im Einzelnen das Problem liegt. »Die hier steht unter dem Kommando der Bantu-Mafia. Aber fragt mich nicht, woher das ›Bantu‹ kommt. Ich hab da noch keinen Afrikaner gesehen.«
»Und wo arbeitet ihr?«
»In der Baumschule«, meldet sich Isis von hinten. »Aber da ist leider, leider nichts mehr frei.«
Violet ignoriert sie. »Tja, wir pflanzen Bäume, bewässern Bäume, und am Schluss graben wir die Bäume aus. Wird alles ins Landesinnere abtransportiert. Aber unsere Trupps sind wirklich schon voll. Tut mir leid.«
»Wir wollten sowieso nicht an der Küste bleiben. Wir wollen nach Osten.«
»Dann versucht es doch mal bei den Pflanztrupps«, meint Ferd. »Vielleicht haben die noch Platz für euch. Für einen von euch oder drei von euch oder wie auch immer.«
Am Scheitelpunkt der Anhöhe, wo das Industriegebiet abrupt endet, haben wir plötzlich freien Blick auf das glitzernde Wasser des Kongo. Auf der kilometerlangen Böschung erstrecken sich terrassenförmig angelegte Gärten, die immer wieder von Wohnblöcken unterbrochen werden. Unter uns liegt das älteste rückgewonnene Gebiet; sämtliche Bäume sind genau zehn Jahre alt und zehn Meter hoch.
Violet geht voraus, die Straße hinab zum Ufer. Links und rechts gluckert Wasser in flachen Rinnen, anscheinend von den Pumpenhäusern angetrieben, die Quant auf dem Kamm der Hügelkette entdeckt hat. In Abständen von jeweils hundert Metern pumpen sie Wasser aus dem Kongo in die endlosen Gärten auf dem Hang. Je tiefer wir kommen, desto schwüler und feuchter wird die Luft.
Als Violet in eine kleine Gasse abbiegt, die parallel zum Fluss verläuft, stoßen wir auf ein Feld mit ordentlich aufgereihten, jungen Bäumen – die Baumschule, die zwei ganze Häuserblocks einnimmt. Rasensprenger vernebeln die Luft, hier und da sind zum Schutz vor der brennenden Sonne Planen über die Äste gebreitet.
»Seht ihr die Hütte da drüben?«, fragt Violet. »Das ist das Personalbüro der Gilde. Fragt da nach Arbeit. Sagt ihnen, dass ihr schon immer mal Bäume pflanzen wolltet.«
Weil Ramone, Isis und Ferd schon weitergegangen sind, können wir uns nur kurz bei Violet bedanken, bevor sie zwischen den Bäumen verschwindet.
Obwohl das Büro der Gilde noch nicht geöffnet ist, hat sich bereits eine kleine Schlange vor der Tür gebildet. Wir stellen uns hinten an, misstrauisch beäugt von den anderen Arbeitssuchenden, die ausgemergelt, nervös, teils geradezu verzweifelt wirken.
So was gibt es bei uns doch nicht, oder? So viele verzweifelte Gesichter?, fragt Strom.
Manuel wiegt den Kopf hin und her. Die zerfallenen Pods waren mindestens genauso verzweifelt.
Nein, sendet Quant, die hatten wenigstens ein Dach über dem Kopf und genug zu essen.
Das OG sollte hier mal aufräumen, meint Manuel.
Von Moira kommt ein Veto. Können wir dem OG überhaupt
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