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Der Ring

Der Ring

Titel: Der Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Melko
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Rabat.
    »Sie wissen also nicht, wie viele Mitglieder hier aufgenommen werden?«, hakt Strom nach.
    Die Frau ignoriert die Frage. »Medizinische Gutachten?«
    Strom reicht zwei abgestempelte Formulare über die Theke, die die Frau mit einigen anderen Papieren in zwei kleine Hefte tackert. »Eure Visa. Bitte.«
    »Wir sind nur einer.«
    »Ich sehe zwei.«
    Strom, der es nicht auf einen Streit ankommen lassen will, nimmt die Visa brav entgegen. Auf einem steht Zeus Rhinefaust I, auf dem anderen Zeus Rhinefaust II.
    Ich bin Nummer II, sendet Manuel.
    Nachdem Meda, Moira und Quant dieselbe Prozedur hinter sich gebracht haben, heißen sie Aphrodite Innanocia I, II und III.
    Schließlich räuspert sich die Frau gewichtig. »Die Visa sind genau sechzig Tage gültig. Wer länger bleiben will, benötigt die Fürsprache eines Vollmitglieds der Genossenschaft. Wer ohne entsprechende Fürsprache länger bleibt, wird unter Verlust des gesamten Eigentums der Enklave verwiesen. Die Einfuhr oder Ausfuhr von biologischen Stoffen ist verboten. Der Empfang oder das Senden elektronischer Daten ist ebenfalls verboten. Jeder Verstoß gegen die Verfassung der Genossenschaft, die neben und anstelle der üblichen Gesetze und Regelungen des OG gilt, zieht die sofortige Ausweisung sowie den Verlust des gesamten Eigentums nach sich. Abfahrt des Shuttles nach Atrakan ist in drei Stunden vom zentralen Shuttlebahnhof. Hier sind eure Tickets.«
    Manuel grinst. Die glaubt doch nicht wirklich, dass wir länger als sechzig Tage bleiben wollen?
    So sind sie nun mal, die Bürokraten. Alles muss doppelt und dreifach abgesichert werden. Sie sieht die Welt in dreifacher Ausfertigung.
    Das ist ja wie bei einem Pod.
    Nein, ganz anders.
    Meda bedankt sich, was die Singleton-Frau allerdings völlig überhört, weil sie sich schon wieder in ihren Papierkram vertieft hat. Als das weibliche Trio an den Schalter tritt, schenken wir ihr ein neutrales Lächeln. Dabei kennen wir sogar ihren Namen: Duchess Monahan, eine Biologin in Diensten von Colonel Krypicz, eine unserer Kontaktpersonen im Kongo.
    Die jungen Singletons, die sich im Aircar nach Atrakan drängen, starren uns an, als wären wir Außerirdische. Kaum haben wir uns gesetzt, verstummt ihr ausgelassenes Geplapper.
    Jetzt haben wir ihnen den Spaß verdorben, meint Manuel.
    Wir unterdrücken unsere chemischen Gedanken, bis unser Denken zu einem zähflüssigen Tröpfeln gerinnt. Auch den Pheromonausstoß drosseln wir so weit wie möglich, weil wir wissen, wie widerlich Pheromongestank auf Singleton-Nasen wirkt. Unsere individuellen Beobachtungen behalten wir für uns, um sie später zu teilen, wenn sich eine gute Gelegenheit ergibt; vielleicht zu zweit, zu dritt oder sogar zu fünft. Entsprechend schemenhaft gerät der Tag in unseren Erinnerungen – bis auf einen Satz von Quant, der allen im Gedächtnis geblieben ist: Sie sind so allein. Jeder Einzelne ist so allein.
    Für Quant, die immer wieder das Bewusstsein verliert, ist es am schlimmsten. Das heißt, richtig ohnmächtig wird sie eigentlich nie; sie driftet nur dauernd so weit ab, dass sie kaum mehr anwesend ist.
    Außerdem erinnern wir uns an den jungen Mann, eigentlich noch ein Teenager, der eine Reihe vor Manuel sitzt. »Freak«, sagt er, als er sich zu ihm umdreht.
    Manuel schüttelt den Schuh vom rechten Fuß und winkt ihm mit seinen langen Zehen zu, bis Moira sein Handgelenk berührt.
    Leg dich nicht mit den Einheimischen an.
     
    Über ein öffentliches Terminal suchen wir uns eine Jugendherberge in der Nähe des Flughafens. Als Nächstes muss ein Nebenjob her, zur Tarnung, während wir nach Spuren von Malcolm Leto suchen. Colonel Krypicz’ Warnung bestätigt sich: Über das Terminal können wir nur auf das Netzwerk der Stadt zugreifen, das OG bleibt uns verschlossen. Die KBG ist von der Außenwelt abgeschnitten.
    Abends fallen die Temperaturen so stark ab, dass wir langärmlige Shirts anziehen und unsere Kragen hochstellen, und so merkt der lockige Jugendliche an der Rezeption überhaupt nicht, dass er es mit einem Pod zu tun hat. Hinter der Diele liegt ein großer Gemeinschaftsraum, an den sich mehrere kleinere, mit Doppelstockbetten zugestellte Zimmer anschließen. Schnell suchen wir uns eins, in das wir alle passen, verrammeln die Tür – und können endlich wieder frei denken. Wir fühlen uns, als würden wir nach einem stundenlangen Tauchgang Luft holen.
    Das tut gut, sendet Quant.
    Im Konsens beraten wir über unseren Plan für morgen.

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