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Der Ring

Der Ring

Titel: Der Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Melko
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noch trauen? Vielleicht gäbe es ja eine bessere Staatsform als das OG? Uns hat das OG jedenfalls nicht gerade toll behandelt.
    Manuel zuckt zurück. Das war doch nicht ernst gemeint!
    Dann solltest du es auch nicht denken.
    Ein dicklicher Mann im verdreckten Overall, der von einer größeren Hütte herübergelaufen kommt, reißt uns aus unseren Überlegungen. Er lässt die Schlange links liegen, schließt die Tür auf, nimmt ein Klemmbrett von der Wand und pflanzt sich auf einen Stuhl. »Ihr könnt eigentlich gleich wieder gehen. Außer irgendjemand hier kennt sich mit einem Forzberg Arboratiller aus. Also, wer so ein Ding bedienen kann, darf bleiben, der Rest verpisst sich bitte auf der Stelle.«
    Niemand bewegt sich.
    Was soll das sein, ein Forzberg Arboratiller?, fragt Quant.
    Manuel zuckt die Schultern.
    »Ich warne euch«, fährt der Mann fort. »Ich werde das überprüfen.«
    Das hat doch alles keinen Sinn. Frustriert treten wir den Rückzug an.
    Sofort wird der Mann aufmerksam. »Wenigstens ein paar, die noch einen Funken Anstand haben. Ihr fünf könnt bleiben. Für die anderen ist die Vorstellung gelaufen.«
    Es war ein Test.
    Ehrlich währt am längsten, predigt Moira, und dem Pod rutscht ein kollektives Stöhnen heraus.
    Grummelnd ziehen die anderen Wartenden ab, während der Mann einen Stapel Formulare unter uns verteilt. »Ich bin Ellis, Untervorarbeiter in der Molehill-Genossenschaft, und ihr dürft euch ab sofort Auszubildende Baumpfleger Dritter Klasse nennen. Die hier müsst ihr ausfüllen. Das heißt …« Er mustert Meda, dann Moira. »Scheiße, ihr seid ein Schwarm, oder?«
    Das war’s dann wohl, meint Manuel.
    »Wie viele seid ihr?«, fragt Ellis.
    »Ein Trio und ein Duo.«
    »Das muss mein verdammter Glückstag sein. Los, füllt die Dinger aus.« Damit trottet er hinüber zu der größeren Hütte, während wir unsere Tarnnamen in die Formulare eintragen.
    Was hat er denn?, fragt Manuel.
    Mit einem schweren Karton beladen kehrt Ellis zurück. »Ich hab euch was zu lesen mitgebracht. Schnell, schaut euch das an und sagt mir, ob ihr die Teile bedienen könnt.«
    Strom klappt den Deckel auf und holt eines der vielen dicken Hefte heraus, die sich im Inneren stapeln – Ausdrucke der Bedienungsanleitung eines Pflanztraktors. Auf der Vorderseite ist ein riesiges Agrarmonstrum zu sehen, und daneben ein Symbol, das wir hier am allerwenigsten erwartet hätten: eine Drei, die von einem Dreieck eingerahmt wird. Offensichtlich ist dieser Traktor auf Trios ausgelegt.
    »Der ist auf Trios ausgelegt«, bemerkt Meda laut.
    »Was du nicht sagst«, erwidert Ellis. »Also, wie sieht’s aus?«
    Manuel, der das Heft bereits teilweise durchgeblättert hat, lässt ein Bündel Überlegungen durch den Pod kreisen, Abstraktionen und Berechnungen, die er in Sekundenschnelle angestellt hat.
    Und?, drängt Meda.
    Manuel nickt. Klar, kein Problem.
    »Kein Problem«, wiederholt Meda.
    »Das ist wirklich mein verdammter Glückstag! Das OG hat uns einfach ein Dutzend von den Scheißteilen zugestellt. Und wir haben uns auch noch bedankt – bis uns gedämmert ist, dass man als Normalsterblicher nichts damit anfangen kann. Klasse, was? Ach ja, ihr seid ab sofort Baumpfleger Zweiter Klasse. Glückwunsch.« Er schaut auf die Uhr. »Der Bus nach Hinterland fährt mittags ab, direkt von hier. Den nehmt ihr. In Hinterland meldet ihr euch bei Untervorarbeiter Muckle. Der zeigt euch dann, wo ihr die Schrotthaufen findet.«
    Hinterland macht seinem Namen alle Ehre: der letzte Zipfel des Kongo, ein Grenzgebiet ohne Gesetze, bevölkert von verzweifelten, zu allem entschlossenen Menschen. Das perfekte Schlupfloch für Leto. Vor der Abfahrt suchen wir noch das Haus der Gilde auf, der Duchess Monahan angehört, und hinterlassen eine Nachricht für sie. Kurz darauf geht es los – Richtung Osten.
     
    Auf den ersten hundert Kilometern läuft der Kongo schnurgerade dahin, eine Meisterleistung der Ingenieurskunst. Von den Hauptstraßen aus, die sich zu beiden Seiten des Ufers auf der Böschung erstrecken, wirkt der grüne Streifen wie ein V, das mit dem Messer in die Wüste geschnitten wurde. Manchmal entfernen sich die Asphaltbahnen kilometerweit vom Fluss, manchmal grenzen sie direkt an das braune, träge Wasser, aber die Richtung bleibt immer gleich: Es geht nach Nordosten.
    Der Anblick ruft uns den anderen Fluss in Erinnerung, dem wir vor ein paar Monaten gefolgt sind, den wilden, ungezähmten Amazonas – ein krasser Gegensatz zum

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