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Der Ring

Der Ring

Titel: Der Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Melko
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genommen haben, tasten wir uns auf der dunklen Promenade von Lichtkegel zu Lichtkegel. Wo es Licht gibt, tobt das Leben. Über allem hängt eine Glocke dumpfer, feuchter Luft, aber wenn der Wind für eine Sekunde auffrischt, riechen wir die Wüste. Wir fühlen uns wie in einer Blase, die jeden Moment zerplatzen kann.
    Als eine junge Frau an uns vorbeispaziert, schreckt Quant auf. Sie hat eine Interface-Buchse!
    »Entschuldigung!«, ruft Meda.
    Sie dreht sich um, starrt uns ausdruckslos an und sagt keinen Ton. Eigentlich ist sie noch ein Mädchen, vielleicht fünfzehn oder sechzehn Jahre alt.
    »Woher hast du die Buchse?«, fragt Meda.
    Jetzt beleben sich ihre Züge – sie wird wütend. »Verpiss dich!«
    Meda weicht erschrocken zurück. Was hab ich denn so Schlimmes gesagt?
    Sie hat geahnt, dass wir fürs OG arbeiten.
    Aber warum?
    Strom schüttelt den Kopf. Nein, sie hat sich einfach über die Frage geärgert.
    Wir wollen ihr noch hinterherlaufen, aber die Dunkelheit hat sie schon verschluckt. Frustriert gehen wir ins Hotel, bringen eine schlaflose Nacht hinter uns und steigen frühmorgens wieder in den Bus.
     
    Ein doppelter Wassergraben beschützt Hinterland: Der Kongo teilt sich an der dicht bevölkerten Insel, auf die man nur über zwei gut befestigte Brücken gelangt. Eine weitere autonome Zone, ein weiterer Hort der Dekadenz in der Einöde. So weit flussaufwärts reicht die Wüste noch bis zur kahlen, trockenen Böschung, was man angesichts des imposanten Schauspiels der Grenzsiedlung jedoch leicht vergisst.
    Sämtliche Gilden und Genossenschaften haben sich in einer unübersichtlichen Lagerhalle im Stadtzentrum angesiedelt. Hinter Pulten stehen Vorarbeiter und verteilen Aufgaben an fest angeheuerte Hilfskräfte und Tagelöhner. Im Moment lehnt der kahlköpfige Untervorarbeiter Muckle an einer Wand und versucht, ein Rudel Möchtegernarbeiter abzuwimmeln. Auch wer es nach Hinterland geschafft hat, kann sich nicht sicher sein, einen Job zu finden; auch hier begegnen uns viele ausgemergelte, verzweifelte Gesichter.
    Aber hier ist Schluss, meint Quant. Weiter im Osten kommt nicht mehr viel.
    Muckle nimmt uns erst wahr, als wir ihm unsere Formulare vor die Nase halten. »Scheiße, gleich fünf? Was hat sich Ellis dabei gedacht? Einer ist mir schon zu viel.«
    »Wir sind nicht fünf«, sagt Meda. »Wir sind zwei.«
    »Noch besser. Dreimal so viel fressen für dieselbe Arbeit.«
    Dreimal so viel fressen für die dreifache Arbeit, korrigiert Quant.
    Ruhe!
    »Wir sollen die Arboroboter fahren.«
    »Die was?«
    »Die Pflanzmaschinen, die Sie vom OG bekommen haben.«
    Muckle kaut auf seinem Bleistift herum. »Hm.« Statt sich weiter zu äußern, macht er sich ein paar Notizen auf einem Klemmbrett und mustert uns wieder schweigend. »Okay«, meint er schließlich. »Nächste Woche hätte ich die Dinger sowieso verschrottet. Den Versuch ist’s wert.«
    Wir folgen ihm aus der Halle und in die Straßen von Hinterland. Fahrradfahrer und Fußgänger streiten um die Vorherrschaft, über Autos müssen sie sich keine Gedanken machen. Am Himmel ist kein einziges Aircar zu sehen.
    In der dichten Menschenmenge schnürt es uns langsam, aber sicher den Atem ab. Unsere Gedanken lösen sich in einem Ozean von Gerüchen auf, darunter auch natürliche Pheromone der Singletons. Hand in Hand versuchen wir, Muckle nicht aus den Augen zu verlieren.
    Nach zehn Minuten in der prallen Nachmittagssonne, hinter einer eingezäunten Villa mit plätschernden Springbrunnen im Vorgarten, stoßen wir in weniger belebte Straßen vor, und einen Kilometer weiter haben wir den südlichen Arm des Kongo erreicht. Anstelle von Läden und Restaurants reihen sich hier Speicher und Manufakturen aneinander. Vor einer breiten, niedrigen Lagerhalle bleibt Muckle stehen, legt die Hand auf den Sensor neben dem Tor und scheucht uns hinein.
    Drinnen türmen sich vier Arboroboter auf, von denen allerdings nur einer vollständig zusammengebaut ist. An den Wänden stapeln sich Kisten und Fässer: genkonstruierte Baumsamen, Bakterien zur Nährstoffanreicherung, Dünger.
    »Da sind die Dinger«, sagt Muckle, bevor er uns in der vollgestellten Lagerhalle allein lässt. »Jetzt zeigt mal, was ihr draufhabt.«
    Kaum sind wir unter uns, klettert Manuel aufs Dach, um das Satellitentelefon zu installieren. Es dauert eine Weile, bis die Verbindung zu den geostationären Satelliten hergestellt ist, aber schließlich können wir doch ins Netz. Wir atmen kollektiv auf.
    »Wo

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