Der Ring
hinterlässt ein Gefühl der Leere, das erst nach ein paar Minuten im Führerhaus abklingt. Über Abstand und Richtung verständigen sich die beiden Teams in Zeichensprache, die Eliud begeistert imitiert, während er hinter Quant auf dem Rücksitz kauert und genau beobachtet, wie sie mit den Bedienelementen hantiert.
Zehn Kilometer flussabwärts, nach gut zwei Stunden Suchen, haben wir Muckles Pacht erreicht. Schon von weitem sehen wir ein Feuer, um das mehrere dunkle Gestalten sitzen. Als sie den ersten Arboroboter entdecken, springen sie auf, rennen uns entgegen – und nehmen uns begeistert in Empfang. Muckles Baumpfleger leihen uns Fahrräder und stellen zwei Männer ab, die uns den schnellsten Weg zurück zum Lagerhaus zeigen.
Anfangs kann sich Strom kaum auf dem Fahrrad halten, aber Manuel schickt ihm Erinnerungen ans Treten und Lenken, bis es endlich klappt. Zurück im Lager schnallen wir die Fahrräder an die anderen Traktoren. Obwohl Quant und Moira müde sind – eigentlich wären sie mit Schlafen dran –, kommen wir diesmal schneller voran, und bald liegen wir in unseren Schlafsäcken neben dem Feuer.
Eliud kuschelt sich an Meda. »Meine Mutter hat auch so ein Ding«, sagt er, als sein Arm ihre Interface-Buchse streift.
Sofort fallen uns tausend Fragen ein, die wir ihm stellen müssen, aber der Junge ist schon eingeschlafen. Während wir seinen leisen Atemzügen lauschen und den silbrig glänzenden Ring betrachten, denken wir uns: Glück gehabt.
Am nächsten Morgen drängen sich die Schaulustigen am Straßenrand, Baumpfleger und Passanten gleichermaßen.
»Wow«, sagt Eliud, »so viele Leute!«
Auf ein paar von denen könnte ich verzichten, sendet Quant.
Demonstranten haben sich unters Volk gemischt, hier und da ragen Schilder aus der Menge. Schon eine Stunde nach Sonnenaufgang ist die Straße hoffnungslos verstopft. Muckle lässt weitere Männer holen, um die Arboroboter zu bewachen.
»Haben Sie noch mehr Leute?«, fragt Meda.
Er schüttelt den Kopf. »Das war’s. Ich hab alle Männer zusammengezogen. Ihr habt ja keine Ahnung, wie wichtig dieses Projekt für mich ist. Jergens hatte mich vor drei Jahren überboten. Aber dann hat er alles in den Sand gesetzt, und heute hockt er immer noch im Schuldgefängnis. Vor ein paar Wochen hat er mir dann die Pacht verkauft. Und zwar zum Schleuderpreis, denn wenn hier nichts vorangeht, wird das Land in zwei Wochen sowieso zwangsversteigert. Das heißt …«
»Wenn Sie scheitern, kommt das Land wieder auf den Markt.«
»Genau. Was dem ein oder anderen gut in den Kram passen würde.«
»Und was wäre dann mit uns?«
»Na ja, ihr wärt dann vielleicht nur noch Baumpfleger Dritter Klasse. Und ich würde im Gefängnis landen.«
»Aber ist das nicht ganz schön riskant? Falls wir nicht liefern …«
»Ich hab schon ein paar Schwärme kennengelernt. Ich weiß, was ihr draufhabt. Ihr seid besser als wir.« Er zuckt die Schultern und blickt offen in die Runde. »Das Leben ist ein Glücksspiel. Also, fangen wir an, bevor hier die Kacke am Dampfen ist.«
Wieder teilen wir uns auf – die Jungs klettern in den einen Traktor, die Mädchen in den anderen. Manuel kann die doppelte Arbeit übernehmen, weil er mit Händen und Füßen steuern kann. Eliud lassen wir trotz seiner lautstarken Proteste bei Muckle.
Wie sich herausstellt, umfasst die Pacht einen flachen, sattelförmigen Hügel, der sich auf vierzig Hektar Fläche an den Fluss schmiegt. Dahinter erkennen wir ein schwach entwickeltes Wohngebiet, noch weiter hinten weitläufige Hirsefelder, am gegenüberliegenden Ufer werden Weizen und Mais angebaut. Offensichtlich liegt das Land schon seit längerer Zeit brach: Sonnengetrocknetes Unkraut wuchert auf der bröckelnden Erde, die förmlich nach Wasser schreit.
Wir steuern die Traktoren auf die andere Seite des Feldes, möglichst weit weg von der Straße, und beginnen mit dem Unterpflügen. Eigentlich pflügen wir nur Sand unter, dem ein bisschen Schlamm aus dem nahen Fluss beigemischt ist. Hinter uns steigen riesige Staubwolken auf, bis Quant vorschlägt, schon jetzt mit der Bewässerung anzufangen. Eine gute Idee, nur dass wir dann früher pausieren müssen, um die Tanks neu zu befüllen.
Es geht voran, aber sehr, sehr langsam.
Das Gute daran ist, dass die Demonstranten wenig Grund zum Demonstrieren haben, weshalb mindestens genauso viele abziehen, wie neu dazukommen. Erst mittags haben wir die erste Parzelle umgegraben. Sofort geht es von vorne los,
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