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Der Ring

Der Ring

Titel: Der Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Melko
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verdrücken wir uns durch die Hintertür in eine enge Gasse. Eliud geht voraus, durch Schleichwege und schmale Straßen bis zu einer abgelegenen Sackgasse. Ganz am Ende liegt ein kleiner Ziegelbau. »Das ist Mamas Kirche«, sagt er und weicht einen Schritt zurück, um sich hinter Meda zu verstecken.
    Wir durchqueren den vertrockneten, heruntergekommenen Garten, Strom stößt die angelehnte Tür auf. Aufgeheizte Luft schlägt uns entgegen.
    Sobald sich unsere Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, erkennen wir ein paar umgestürzte Bänke, und dazwischen verstreute Scherben, offenbar von Keramikfiguren.
    Hier stimmt was nicht, sendet Quant.
    Wir haben keine Ahnung von Singleton-Religionen, aber so soll es hier bestimmt nicht aussehen. Käfer fliehen vor unseren Schritten, als wir die Kirche betreten. Weiter hinten entdecken wir einen Durchgang, der in einen weiteren Raum führt, vielleicht in eine Art Sakristei. Noch bevor wir die Tür öffnen, bemerken wir den durchdringenden Verwesungsgeruch.
    Ein Toter, von Insekten schon halbzerfressen, sitzt zusammengesunken am Tisch in der Raummitte; der eingeschlagene Schädel ruht auf der Platte. Wir warnen Strom, damit er Eliud die Augen zuhält und ihn nach hinten zerrt, ehe der Junge einen Blick auf das grausige Bild werfen kann. Natürlich sträubt er sich, aber gegen Strom, unsere Kraft, hat er keine Chance.
    Am Nacken des Toten glänzt eine Interface-Buchse. Selbst die – für die Insekten uninteressanten – Glasfaserleiter, die sich um das Stammhirn gewickelt haben, sind deutlich zu erkennen. Sobald Ameisen und Käfer den organischen Rest des Schädels verzehrt haben, wird nur noch dieses künstliche Gebilde aus Gold und Silizium übrig sein. Abgesehen von einem weißen Priesterkragen kleben nur vereinzelte schwarze Kleidungsfetzen auf der blassen Haut.
    Pfarrer Arthemon, nehme ich an. Manuel beugt sich vor, um das Interface aus der Nähe zu betrachten. Irgendwer hat die Buchse rausgerissen.
    Auf dem Boden entdecken wir einen Schraubenzieher – anscheinend wurde sie damit aus der Halterung gehebelt.
    Ich glaube, das war er selbst.
    Wir erinnern uns an den Schock, als Leto Meda das Interface implantiert hatte: Im ersten Moment dachten wir selbst daran, die Buchse mit Gewalt herauszubrechen. Obwohl wir wussten, dass die Wissenschaft der Pods noch keinen Weg gefunden hatte, ein bereits mit dem Hirn verbundenes Interface zu entfernen.
    Aber er wird sich kaum selbst den Schädel eingeschlagen haben.
    Pfarrer Arthemon ist in der Tat an einem Schädelbruch gestorben.
    Wir müssen die Polizei rufen.
    Erst nach einer halben Stunde taucht die Kommissarin auf, eine schlanke, drahtige Frau mit kurzgeschorenen blonden Haaren, ausgerüstet mit Betäubungspistole und Schlagstock. Während sie den Tatort begutachtet, warten wir draußen. Als sie ins Freie zurückkehrt, wirkt sie trotz ihres militärischen Auftretens ziemlich mitgenommen. »Diese verdammten Junkies.«
    »Kommt das öfter vor?«, fragt Meda.
    »Nein, Tote gibt es eher selten. Aber wir stolpern ständig über verlassene Wohnungen. Oft sind nur noch die Kinder da.« Ihr Blick streift Eliud.
    »Er gehört zu uns.«
    Ohne weiter darauf einzugehen, fordert die Kommissarin eine Ambulanz an, zieht einen Mikrorekorder aus der Tasche und nimmt unsere offiziellen Aussagen auf. Wir hätten Eliud zu seiner Kirche bringen wollen, erzählen wir, und dabei hätten wir die Leiche gefunden. Damit gibt sie sich zufrieden.
    Erst als der Rekorder ausgeschaltet ist, stellt Meda ihre Frage. »Haben die Junkies einen bestimmten Treffpunkt?«
    Sie zuckt die Schultern. »Wenn ich das wüsste. Aber wir haben ein paar Leute drauf angesetzt.«
    »Und Sie haben keine Idee?«
    Ihr verächtlicher Blick macht überdeutlich, dass wir lieber nicht weiter nachbohren sollten. Nachdem wir uns verabschiedet haben, gehen wir ein paar Schritte, bis wir außer Hörweite sind, und erkundigen uns bei Eliud, wo er früher gewohnt hat.
    »Ganz in der Nähe«, sagt er.
    »Zeigst du es uns?«
    Er führt uns in eine Straße aus identischen Fertigwohnblocks, stößt eine Tür auf und geht hinauf in den dritten Stock, wo er eine Apartmenttür aufsperrt. Verbrauchte, heiße Luft schlägt uns aus dem kahlen Flur entgegen, der sauber ist, aber ziemlich verstaubt riecht.
    Diesmal bleibt Eliud freiwillig an der Schwelle zurück, während wir durch die leeren Räume streifen. Sämtliche waagerechten Flächen sind von einer dünnen Staubschicht bedeckt.
    Was tut Leto

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