Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ring

Der Ring

Titel: Der Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Melko
Vom Netzwerk:
ich mit dem Zählen aufhören.
    Dieses Brummen kenne ich. Der Wasserstoffmotor eines Arboroboters. Irgendjemand rammt damit gegen die Mauern unseres Gefängnisses. Nicht sehr elegant, aber effektiv. Vor meinem inneren Auge erscheinen die Kräfte, die das Gestänge des Traktors auf die Wände überträgt. Ich rufe mir die Bruchfestigkeit von Titan ins Gedächtnis, weiß, dass die Titanverstrebungen halten werden, bin mir sicher, dass es reichen wird, ich spüre es in den Knochen. Selbst wenn der Traktor unter einem Trümmerhaufen begraben wird, kann er sich freikämpfen. Erst ab fünfundvierzig Tonnen wird es kritisch, und auch nur, wenn die Masse senkrecht auf dem Traktor aufprallt. Sogar dann hätte er noch eine Chance, solange die Reifen nicht abrutschen.
    Man könnte fast meinen, der Arboroboter sei für Abbrucharbeiten konzipiert worden.
    40 313.
     
    Mit jeder Tür, die Eliud aufreißt, werden wir etwas klarer im Kopf, und draußen, in dem halbeingestürzten Flur, fassen wir uns sofort an den Händen. Eins, zwei, drei, vier. Vier!
    Wo ist Moira?
    Auf den Flur münden fünf Türen, und alle stehen offen. Trotzdem sind wir nur zu viert.
    Gemeinsam rennen wir zur fünften Zelle. Da ist sie, bewusstlos ausgestreckt auf dem Feldbett. Sofort kniet Meda neben ihr. Durch ihre Augen sehen wir die entzündete, aufgerissene Haut in Moiras Nacken – und eine frisch eingepflanzte Interface-Buchse.
    Meda reagiert hysterisch, und ihre Panik überträgt sich auf uns. »Was hat er ihr nur angetan?«
    Strom nimmt sie in den Arm und führt sie auf den Flur, während Manuel und Quant die leblose Moira hinaustragen.
    Ohne Moira fehlt uns die Balance. Wir müssen uns zurückziehen, wir müssen unsere Gedanken ordnen, wir brauchen Zeit, um einen sinnvollen Konsens zu finden. Aber wir haben keine Zeit.
    Hinter dem Arboroboter erkennen wir die Trümmer von zwei dicken Mauern. Eliud hat ganze Arbeit geleistet. Wir zwängen uns zu sechst in das Führerhaus und schließen die Tür. Es wird eng, richtig eng, zumal Quant etwas mehr Bewegungsfreiheit braucht, um den Traktor zu lenken.
    Sie legt den ersten Gang ein und steigt aufs Gas. Der Motor heult auf, aber wir schaukeln nur vor und zurück, während Manuel sieht, wie hinter uns drei Wachen um die Ecke biegen.
    Jedes Mal, wenn Quant zwischen erstem Gang und Rückwärtsgang hin und her wechselt, kommen wir ein Stückchen weiter voran, begleitet von den Schreien der Wachen, die versuchen, ins Führerhaus zu klettern.
    Als wir plötzlich durch die Trümmer brechen, macht der Traktor einen Satz nach vorne, durch die Außenmauer und weiter in einen Obstgarten mit zahlreichen steinernen Standbildern. Quant folgt der Spur der Verwüstung, die Eliud durch Letos Hauptquartier gezogen hat, über gefällte Bäume und zerbröselten Marmor hinweg. Vielleicht ist das hier früher mal ein Universitätscampus gewesen.
    Wir haben die Wachen abgeschüttelt, als der Traktor nach vorne gesprungen ist. Jetzt haben wir freie Bahn zur Straße, und Quant gibt Vollgas …
    … um kurz darauf wieder auf die Bremse zu steigen. Letos Hauptquartier liegt an einer äußerst belebten Straße im Zentrum von Hinterland. Ringsum brodelt das Leben, und die Menschenmenge weicht nur langsam zurück. Zu langsam.
    Gleichzeitig strömen Männer und Frauen aus dem verwüsteten Garten. Letos Interface-Armee.
    Erst als Quant auf die Hupe drückt, teilt sich die aufgebrachte Menge.
    Vorsicht, sendet Strom.
    Quant lässt einen Schwall Wutpheromone los, der in der engen Kabine nur schwer zu ertragen ist. Schnell öffnet Strom eine Luke und dreht die Klimaanlage voll auf.
    Wohin?
    Zur Polizei?
    Nein.
    Weg hier! Weg hier! Medas Gedanken bewegen sich immer noch am Rand der Hysterie. Sie verströmt einen Gestank, der unseren Fluchtinstinkt weckt – wir wollen hier weg, nur noch weg. Von alldem bekommt Eliud natürlich nichts mit.
    Wir müssen uns neu formieren, wir müssen Erinnerungen austauschen, wir müssen Moira helfen. Und dazu brauchen wir einen sicheren Ort.
    Als Meda über die Wunde am Genick ihrer Zwillingsschwester streicht, erfasst uns eine weitere Welle der Angst.
    Leto hat offenbar keinen Zutritt zum Ring, sendet Meda.
    Wir schon.
    Manuel starrt auf den Ring, der sich über uns hoch am Himmel abzeichnet. In der hellen Sonne wirkt die Ankerstation zum Greifen nah. Können wir es bis dorthin schaffen?
    Quant überprüft den Füllstand der Wasserstofftanks. Ja.
    Also versuchen wir es!, brüllt Meda.
    Allgemeine Zustimmung, ein

Weitere Kostenlose Bücher