Der Ring
allem den Gesetzen der Van-der-Waals-Kräfte: Eine schädelförmige Wasserkugel konnte sich in Sekundenschnelle um den Kopf legen, so fest, dass man sie ohne Saugvorrichtung nicht mehr herunterbekam. Deshalb stand am Ende jeder Pflanzenreihe ein Notsauger bereit.
»Hey, McCorkle«, sagte ich. Normalerweise war Meda unsere Stimme, doch wenn ich abdriftete und der Pod ohne mich weiterzog, sprach ich zwangsläufig selbst.
»Du bist Quant, oder?«
Eigentlich war es ziemlich merkwürdig, dass er meinen individuellen Namen kannte, aber ich dachte nicht weiter darüber nach – zumindest damals nicht. Ich nickte nur, ohne den Blick von den verzweigten Wurzeln der nächsten Tomatenpflanze losreißen zu können. Oben wucherte ein dichtes Gestrüpp aus gelben Blüten, grünen Blättern und winzigen orangefarbenen Früchten, unten verjüngten sich die Wurzelranken nach einem gleichmäßigen Muster zu dünnen Spitzen, die an der Wand des Wasserkolbens ruhten und sanft hin und her wogten. Ich legte eine Hand auf das Glas.
»Nicht schlecht, was?«, sagte McCorkle.
Ich nickte, ohne seine Stimme bewusst wahrzunehmen. Wie hypnotisiert verfolgte ich die Linien des Wurzellabyrinths und verlor mich in ihrer Fraktalstruktur.
»Wann darf dein Pod denn raus?«, fragte er.
»Bald. Morgen schon. Unser Sled steht bereit.«
»Tatsächlich?«
»Ja, wir sind auf dem Weg dorthin.«
»Er steht schon bereit? In der Landebucht?«
»Ja.«
»Du bist die Autistin, oder?«
»Quant!« Manuel hing in der Tür des Hydrokulturbereichs. Ich drehte mich um, warf McCorkle ein schnelles »Tschüss« zu und paddelte zu meinem Podpartner.
Willst du den Sled denn gar nicht sehen?
Natürlich!
Dann komm, anstatt hier die Tomaten anzustarren.
Als ich ihm die Schönheit der Fraktalwurzeln näherbringen wollte, war er schon ein paar Meter weiter.
Die Landebucht lag gleich hinter der nächsten Ecke. Hier parkten Sleds, die gerade gewartet wurden; die restlichen waren an der Außenhülle festgezurrt und wurden nur bei Bedarf angedockt. Im Moment standen zwei Sleds in der Bucht: ein großer, modifizierter Hulasledge und einer in Standardgröße.
Ein Hulasledge! Die Spezifikationen kenne ich gar nicht, sandte ich. Am liebsten wäre ich sofort eingestiegen, um mich schlauzumachen.
Strom grinste. Ich dachte, du kennst alle Spezifikationen.
In meinem Hirn ging ich bereits die einzelnen Modifikationen durch. Am auffälligsten war die zusätzliche Kabine, die unmittelbar hinter das Cockpit geschweißt worden war – im Grunde hatten sie zwei Sleds zu einem riesigen Ungetüm zusammengebaut. Um die größere Masse auszugleichen, hatten sie noch ein paar Treibstofftanks hinzugefügt, und an dem angeschweißten Abschnitt baumelte eine zweite Schubeinheit. Auf den ersten Blick wirkte das Ding ziemlich schwerfällig, aber je länger ich die beteiligten Kräfte analysierte, desto sinnvoller erschien mir die Konstruktion. Bestimmt flog sie sich wunderbar.
Überrascht stellte ich fest, dass ich immer noch voller Schwung auf den Hulasledge zusteuerte. An dessen Nadir-Luftschleuse hielt ich mich fest, drehte mich um und warf Meda einen ungeduldigen Blick zu. Dürfen wir?
Offenbar wusste Aldo, was ich auf dem Herzen hatte. Er nickte. »Nur zu.«
Mit weit aufgerissenen Augen fummelte ich die Luftschleuse auf und stieg ein, dicht gefolgt von meinem Pod. Im Inneren des Sleds roch es intensiv nach Gummi. Eine Reihe von Griffen führte ins Cockpit, den kleineren der beiden blasenförmigen Bereiche, in dem sich auch die Kontrollen für die Klauen befanden; die größere Kabine war für die zusätzliche Besatzung gedacht. Ich hangelte mich hinter den Steuerknüppel, Manuel legte die Hände auf den Handschuh rechts daneben.
Nach unzähligen Stunden im Simulator war unser Traum Wirklichkeit geworden.
Cool, meinte Manuel.
Ich griff nach dem Steuerknüppel. Instinktiv wussten meine Hände, welche Reaktionen selbst minimale Bewegungen hervorrufen würden. Ich konnte es kaum erwarten. Weiter hinten saß der Pod und freute sich mit mir.
»Und, wie fühlt es sich an?«, drang Aldos Stimme durch die Luftschleuse.
»Gut«, antwortete Meda. »Passt perfekt.«
»Recht so. Morgen geht’s nämlich los.«
»Morgen?«
»Ja. Irgendwer muss die Spinnenköpfe einsammeln, und warum nicht der Frischling?«
Morgen, jubelte ich, morgen fliegen wir!
Voller Vorfreude kletterten wir aus dem Sled und sahen zu, wie er von der Wartungscrew in die riesige Luftschleuse geschoben wurde. Der
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