Der Ring
Energie und Tatendrang. Am Ende des Korridors stieß ich auf ein großes Labor. An den Wänden reihte sich ein Genspleißer an den anderen, ziemlich alte, aber dafür viele. Daneben gab es Chromatografen, Computer aus der Zeit vor der Singularität und verschiedene Gerätschaften zur DNA-Analyse – ein gentechnisches Labor, wie es unmittelbar vor der Community Stand der Technik gewesen wäre, ein bisschen altertümlich zwar, aber mit weit mehr roher Rechenleistung ausgestattet als Mother Redds Forschungsstation auf der Farm.
»Oh, hallo. Du lebst, wie ich sehe.«
Ich fuhr herum. Vor mir stand ein großer, dünner Mann im Laborkittel, wahrscheinlich um die siebzig, aber mit vollem weißen Haar und akkurat geschnittenem Kinnbart. Durch mein Bewusstsein trieb ein Name, den irgendjemand genannt hatte, während ich im Strudel meiner Halluzinationen gefangen war. »Dr. Baker.«
Er ging auf mich zu, schüttelte mir aber nicht die Hand, sondern drehte meinen Arm herum und löste den Verband. Zufrieden schnalzte er mit der Zunge. »Ist nicht ungefährlich da draußen. Du kannst von Glück sagen, dass ich noch ein bisschen gutes altes Penizillin dahatte.«
»Ja, danke.«
»Willst du mein Labor sehen? Deinen Pod und euren Freund hab ich schon herumgeführt, aber du warst ja leider noch außer Gefecht.«
»Gerne. Wie lang sind wir schon …«
»So um die vierundzwanzig Stunden. Ich muss schon sagen, ich war ziemlich erstaunt, dass die Bären so vernünftig gehandelt haben. Dass sie wussten, was zu tun war, als du krank geworden bist.«
»Natürlich, die Bären …« Ich zögerte. War ihm gar nicht bewusst, wie intelligent sie waren?
»Gefallen sie dir? Am Anfang hattest du ein bisschen Angst vor ihnen, was? Aber eigentlich sind das ganz harmlose Tierchen. Schließlich habe ich sie so erschaffen.«
»Ja, sie sind toll.«
»Ja, ja, tolle Tierchen … Weißt du, eigentlich ist es reiner Zufall, dass nicht die Ursidae, sondern die Primaten ein Bewusstsein entwickelt haben. Schicksal. Was man mit dem Bärengenom alles anstellen kann! Glaub mir, das ist wirklich faszinierend. Aber bald wisst ihr ja sowieso alle Bescheid.«
»Ach ja?«
»Ja. Eigentlich müssen wir dem kleinen Kratzer dankbar sein. Zugegeben, die Infektion hätte dich fast umgebracht, aber immerhin seid ihr dadurch bei mir gelandet!« Als auf der anderen Seite des Raums ein Genspleißer piepte, huschte Dr. Baker um den nächsten Labortisch herum. »Ich bin ja nicht mehr der Jüngste, und ich werkele hier schon seit Jahrzehnten vor mich hin. Manchmal hatte ich einen Assistenten, manchmal nicht. Aber jetzt bin ich darauf angewiesen, allein schaff ich das nicht mehr. Und siehe da – auf einmal tauchen zwei Biologenpods auf! Leider nur ein Trio und ein Duo, aber das wird schon reichen. Jetzt hab ich wenigstens wen, der mir mit den Bären helfen kann.«
Langsam begriff ich, dass sich einiges getan hatte, während ich aus dem Spiel war. Ich musste mich schleunigst mit dem Pod austauschen. »Ich muss jetzt wirklich zu meinem Pod.«
»Wirklich? Willst du nicht noch den Rest sehen? Was du heute kannst besorgen … Ich meine, jetzt wo die Bären wieder da sind, werdet ihr bald alle Hände voll zu tun haben.« Er kam auf mich zu, einen Messbecher in der Hand. »Hier, schau mal.« Instinktiv wich ich zurück.
»Moira? Hier bist du also!«
Ich drehte mich um. In der Tür standen Meda und Quant und musterten mich besorgt. Sofort rannte ich zu ihnen und nahm ihre Hände.
Wir sind aufgewacht, und du warst nicht mehr da, sandte Quant.
Ich hab mich ein bisschen umgeschaut.
Dr. Baker gesellte sich zu uns.
»Guten Morgen, Doktor«, sagte Meda.
»Ja, ja, guten Morgen, guten Morgen. Dann muss das Labor wohl warten. Zeit fürs Frühstück!«
Beim Essen schickten mir Quant und Meda Erinnerungen an alles, was ich durch meine Fieberträume verpasst hatte. Bald war ich wieder auf dem neuesten Stand.
Nachdem sich die Infektion richtig eingenistet hatte und sämtliche Antikörper versagt hatten, die ich mit Hilfe des Pods produzieren konnte, hatten uns die Bären zur Forschungsstation geführt. Nach zwei Tagen waren wir an dem unterirdischen, in einem Kiefernwald verborgenen Bunker angekommen. Wieder spürte ich, wie Kiefernnadeln über meine Finger strichen; nur waren es eigentlich nicht meine, sondern Medas Finger.
Der Doktor hatte sich sehr gefreut, uns zu sehen, und war sofort zur Behandlung geschritten. Dank seiner umfassenden medizinischen Ausrüstung war ich einen
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