Der Ripper - Roman
mir gelungen wäre, dein Pferd zu stehlen.«
»Wie bist du ohne Pferd überhaupt hierhergekommen? Bist du den ganzen Weg gelaufen, oder …?«
»Sehe ich aus, als wäre ich nicht ganz richtig im Kopf?«
»Natürlich nicht.«
»Das will ich auch meinen. Nein, Sir.« Sie nickte nachdrücklich, als wäre sie energisch mit sich einer Meinung. Und obwohl sie die Stirn runzelte, blieb in ihren Augen ein vergnügter, übermütiger Ausdruck. Eigentlich tanzte dieses Funkeln dort die ganze Zeit, als wüsste sie etwas, das sie von der restlichen Welt trennte.
»Ich hatte ein Pferd«, sagte sie, »bis gestern, als eine verdammte Klapperschlange ihn scheuen ließ und er mich abwarf. Er ist davongelaufen, und ich habe ihn seitdem nicht mehr gesehen. Das traurigste Exemplar von wanzenverseuchter Schindmähre, das ich je gesehen habe. Ich habe ihn verloren und mit ihm meinen ganzen Besitz, bis auf das, was ich am Leib trage. Und dazu ein gutes Sharps-Gewehr«, fügte sie hinzu, als würde sie das besonders ärgern.
»Das war wirklich Pech.«
»Vor allem für die Klapperschlange.« Ihre Lippen verzogen sich zu einem Grinsen, was zu dem Funkeln in ihren Augen passte, und sie rieb sich den Bauch.
»Du hast sie gegessen ?«
»Zuerst habe ich sie getötet. Ihr mit einem Stein den hässlichen Schädel eingeschlagen.«
»So, wie du es auch mit mir vorhattest?«
»Tja, erstens ist dein Schädel nicht ganz so hässlich, und außerdem habe ich ihn nicht eingeschlagen.«
»Aber du hast es versucht.«
»Ich wollte dich bloß aus dem Sattel werfen«, protestierte sie. »Hätte ich vorgehabt, dich zu töten, dann würdest du jetzt im Staub liegen.«
»Das bezweifle ich.«
»Ich nicht.« Sie bückte sich, schob ein Hosenbein hoch und zog ein Messer aus dem Stiefelschaft. Es war das mit Abstand größte Messer, das ich je gesehen hatte, seine Klinge war fast so lang wie mein Unterarm. Sie hielt mir die Spitze an die Brust. »Das hier ist mein Bowie-Messer.«
Ich starrte es an, in meinem Inneren verkrampfte sich alles, und mir wurde kalt. Jesse hatte diese schreckliche Waffe die ganze Zeit über in ihrem Besitz gehabt. Sie hätte mir damit den Schädel spalten können. Aber sie hatte nicht einmal bei unserem Ringkampf auf dem Boden danach gegriffen, dabei hatten sich bei der Rangelei genügend Gelegenheiten dazu geboten. Jesse hatte bewusst darauf verzichtet, das Messer zu ziehen und mir den Bauch aufzuschlitzen.
»Warum hast du es nicht benutzt?«, wollte ich wissen.
»Es gibt immer so eine Sauerei«, sagte sie und schob es wieder in den Stiefelschacht. Als sie wieder gerade aufgerichtet vor mir stand, verschwand das Lächeln.»Ich hatte keinen Grund, dich zu töten. Ich brauchte bloß ein Pferd.«
»Es wäre mir ein Vergnügen, wenn du mit mir reiten würdest«, sagte ich.
»Vielen Dank«, sagte sie.
Ich stieg als Erster in den Sattel und half ihr dann hinauf.
»Was dagegen?«
Und schon hatte sie mir den Hut vom Kopf gepflückt. »Hab meinen vor zwei Tagen an einen Canyon verloren.«
Ich ließ ihr meinen Hut.
Sie legte mir einen Arm um die Taille, und wir ritten zum Präriepfad. Es war ein seltsames Gefühl, hinter sich ein Mädchen sitzen zu haben, das einen manchmal sogar berührte. Doch es gefiel mir.
Nachdem ich das Bowie-Messer gesehen hatte, konnte ich nicht anders, als ihr zu vertrauen. Ebenso, wie ich mich kaum dagegen wehren konnte, dass sie mir gefiel. Sie war zäh und hatte mehr Mumm als alle Mädchen, die ich je kennengelernt hatte. Und obwohl sie General stehlen wollte und mich bei dem Versuch leicht verletzt hatte, musste sie wohl ein gutes Herz haben, denn sonst hätte sie mich aufgeschlitzt.
Außerdem war sie schrecklich hübsch.
Und ich war sogar froh, dass sie mich überfallen hatte.
Vielleicht würden wir ja bis Tombstone zusammenbleiben.
Da sagte sie: »Ich wünschte, ich hätte was zu rauchen.«
Die Worte waren Felsen, die meine Hochstimmung zermalmten.
»Ich fürchte, ich habe weder Tabak noch Papier.«
»Wirklich schade.«
Wirklich schade. Wie wahr.
Sie wird wie McSween enden, dachte ich. Tot, wie jeder, der meinen Weg kreuzt.
Es gab nur eine Möglichkeit, wie ich Jesse retten konnte. Ich musste sie loswerden, und zwar schnell.
Aber ich hatte ihr versprochen, dass sie mit mir reiten konnte, und die Vorstellung, mein Wort zu brechen, machte mir zu schaffen. Davon abgesehen, wäre es nicht richtig gewesen, sie ohne Pferd und Lebensmittel allein in der Wildnis zurückzulassen. Also hatte
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